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Abgefertigt

24.10.2023 - Die antisemitischen Äußerungen Richard David Prechts, die er in dem Podcast "Lanz & Precht" abgegeben hat, sind nicht nur dumm, sie sind auch schädlich und obendrein auch noch sachlich falsch. Warum er sie dennoch tätigte, wirft Fragen auf, etwa warum sich jemand wie er, der sich gern mit seinem breiten und tiefen Wissen brüstet und sich beruflich der kritischen Reflexion verschrieben hat, zu solchen Äußerungen hinreißen lässt und welche gesellschaftlichen Folgen daraus erwachsen? Fragen wie diese hätten auch die Lüneburger Studenten stellen können, doch diese Chance haben sie vertan.

Die Zusammenarbeit der Uni mit Precht solle mit sofortiger Wirkung beendet werden, forderten die Studentenvertreter, ebenso eine öffentliche Positionierung des Präsidiums der Universität zu den Vorwürfen. Das überrascht. Denn von einem Gespräch der Studentenvertreter mit Precht selbst oder dem Versuch, mit ihm ins Gespräch zu kommen, war bislang nichts zu vernehmen.

Es überrascht auch deshalb, weil Universitäten eigentlich Orte des Austauschs und des kontroversen Diskurses sind. Wo wenn nicht hier soll gelernt, geübt und praktiziert werden, unterschiedliche Meinungen, konträre Positionen oder auch kritikwürdige oder gar falsche Behauptungen zu hinterfragen und anzusprechen? Wo sind etwa die Jura-Studenten geblieben, die doch wissen sollten, dass einem Urteil eines Gerichts immer eine Verhandlung und eine Anhörung vorausgeht?  

Von all dem wollten die Studentenvertreter offenbar nichts wissen. Sie schossen ihren Professor lieber ab, statt die Gelegenheit zu nutzen, ihn zu seinen – unfraglich problematischen – Äußerungen zu befragen und zu "grillen" und dabei zu lernen, was einen Menschen wie Precht bewegen kannn, sich derart zu vergreifen. 

Dies zeugt von einer Haltung, die heute leider an vielen Universitäten erkennbar ist. Weil sich einige Studenten auf einem vermeintlich höheren moralischen Niveau wähnen, glauben sie, Urteile frei jeden wissenschaftlichen Diskurses fällen zu können – sei es durch Übermalen von Wandbildern, Ausladen von Gastdozenten oder dem Entfernen einer schlichten abstrakten und halbnackten Frauenskulptur, wie im Juli an der Flensburger Uni geschehen. All dies, weil es nicht ins selbstgemachte Weltbild passt. Das aber ist ebenso so dumm wie die Äußerungen Prechts selbst.

Precht hat seinen Rückzug von der Uni Lüneburg erklärt. Warum, sagte er nicht. Bei ihm darf man vermuten, dass es weniger der Druck des Studentenparlaments war, sondern eher das Resignieren vor einem unwissenschaftlichen Umgang seiner Studenten mit diesem Thema.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Abruptes Ende"