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Fridas Weg

Theateraufführung im PKL widmet sich dem Thema Kinder-Euthanasie

Lüneburg, 21.05.2013 - Anlässlich der ersten Inklusionsschulung der Bildungs- und Gedenkstätte "Opfer der NS-Psychiatrie" führt die Theaterwerkstatt Göttingen am Mittwoch, 29. Mai, um 18 Uhr das Dreipersonenstück "Fridas Weg" auf. Die Schauspieler Eva Maria Balkenhol, Petra Bensaid und Thomas Hof bringen ein Stück auf die Bühne, das die Lüneburger "Kinder-Euthanasie" mit aktuellen Fragen zur Inklusion, zur Gen-Forschung und zur Pränataldiagnostik verbindet.

Nach fast 70 Jahren rückt der Mord an etwa 300 bis 350 Kindern mit Behinderungen und weiteren rund 100 Kinder-Patienten, die in Folge von Fehl- und Mangelversorgungen in der Lüneburger "Kinderfachabteilung" starben, immer stärker ins öffentliche Bewusstsein. Besonderes Gewicht erhält das Thema auch durch aktuelle Entwicklungen: So ist es inzwischen möglich, menschliches Genmaterial zu klonen, per Bluttest frühzeitig Embryonen mit Behinderungen zu identifizieren sowie bei Erwachsenen indirekte Sterbehilfe und assistierten Suizid zu leisten.

Die Ethik des Machbaren und Beeinflussbarkeit dessen, was "Normalität" ist, berührt das Stück daher auf vielen Ebenen. Protagonistin ist eine Kunststudentin, die in Vorbereitung einer Ausstellung feststellen muss, dass ihre Werke zur Zeit des Nationalsozialismus als "entartet" diffamiert worden wären und dass sie auch aufgrund ihres Handicaps wohl eher zu den Opfern der NS-Psychiatrie gehört hätte. Sie erfährt, dass ihr Großvater als Arzt in die "Kinder-Euthanasie" verstrickt war und begibt sich auf den Weg, Licht in die Vergangenheit zu bringen.

Pate für die Charaktere stand unter anderem der Leiter der Lüneburger "Kinderfachabteilung", Willi Baumert. Er richtete im Oktober 1941 die Abteilung ein und wies die Patiententötungen an. Als er 1944 als SS-Arzt in den Krieg eingezogen wurde, übernahm der Ärztliche Direktor Max Bräuner die Leitung der Abteilung. In der Lüneburger "Kinderfachabteilung" starben zwischen 1941 und 1945 rund 60 Prozent aller Kinder-Patienten. Insgesamt sind 481 Todesfälle dokumentiert.

"Die Motive waren nicht nur rassenpolitischer Art, sondern ähneln erschreckend denen, die heutigen medizinischen Forschungen zugrunde liegen. Neben dem ungetrübten Glauben an medizinischen Fortschritt, an eine Züchtung gesunder Nachkommenschaft und die Überzeugung, die sogenannten »Lebensunwerten« von ihrem Leid zu erlösen, legt das Schauspiel schonungslos offen, wie schnell Menschen aufgrund kulturell zugeschriebener Andersheit, aufgrund von Normenverschiebungen ausgegrenzt, diskriminiert und eliminiert werden. Die Tötung von politischen Häftlingen zur Entnahme von Organen in China sowie die Abtreibungen von Embryonen mit Down-Syndrom sind nur zwei Beispiele ethisch-moralischer Fragen heutiger Zeit", heißt es in der Ankündigung der Veranstalter.

Das Theaterstück bildet den Abschluss der ersten Lüneburger Inklusionsschulung, in der sich 24 Gesundheits- und Krankenpflegeschülerinnen und -schüler der Krankenpflegeschule der Psychiatrischen Klinik Lüneburg an drei Tagen intensiv mit Entrechtungserfahrung und Menschenrechten für Menschen mit Behinderungen, mit der Lüneburger NS-Psychiatrie und mit aktuellen medizin-ethischen Themen befassen. 

Das Stück wird im Gesellschaftshaus der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, Am Wienebütteler Weg 1, gespielt. Der Eintritt an der Abendkasse beträgt 5 Euro pro Person. Teilnehmer der Inklusionsschulung haben freien Eintritt.