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Erinnerung neu gestaltet

Im Tiergarten wurde der Ehrenfriedhof neu eingeweiht 

Neben den Ehrengästen hatten auch zahlreiche Lüneburger an der Veranstaltung im Tiergarten teilgenommen. Foto: Stadt LüneburgLüneburg, 27.04.2023 - Mit einer feierlichen Veranstaltung wurde am vergangenen Wochenende der Ehrenfriedhof im Lüneburger Tiergarten neu eingeweiht. Auf dem Friedhof sind die Opfer des Kriegsverbrechens vom April 1945 in Lüneburg bestattet. Damals hatten Alliierte den Bahnhof Lüneburg bombardiert, auf dem gerade ein Zugtransport mit KZ-Häftlingen stand. Die vor dem Bomben geflüchteten Häftlinge wurden eingefangen und erschossen.

Der Ehrenfriedhof wurde langen langen Diskussionen im Rat der Stadt und der Stadtgesellschaft umgestaltet. Diese Umgestaltung ist nun abgeschlossen, Text- und Bildtafeln am Rande des Friedhofs sollen ihn nun zu einem "neuen Gedenk- und Lernort in Lüneburg" machen, wie Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch in ihrer Ansprache erläuterte.

An der Feierstunde nahmen interessierte Lüneburger sowie zahlreiche Gäste und Vertreter von Opfer- und Angehörigenverbänden teil, darunter auch Yves Le Bris. Der 79-Jährige aus Dijon in Frankreich ist der Neffe eines der auf dem Friedhof Bestatteten. Sein Bericht über seinen Onkel, Antoine Le Bris, im französischen Widerstand aktiv, gab Einblicke, welche ganz persönlichen Spuren Geschichte hinterlässt.

Martine Letterie, Präsidentin der Amicale Internationale KZ Neuengamme, erläuterte die Verbindungen nach Lüneburg: "Hier liegen KZ-Häftlinge begraben, die ins KZ Neuengamme (transportiert) werden sollten, aber hier ermordet wurden; jüdische Opfer, die bei der Evakuierung des KZ Bergen-Belsen ums Leben kamen, und zwei sowjetische Zwangsarbeiter, die zur Strafe erschossen wurden." Die Opfer stammen aus Belgien, Frankreich, Ungarn, Italien, Jugoslawien, Polen und der Sowjetunion.

Schüler der Wilhelm-Raabe-Schule lasen aus Erinnerungen von Zeitzeugen. Das Duo Strings & Voices umrahmte die Veranstaltung mit deutschen und französischen Liedern wie dem Klagelied der Widerstandskämpfer "La complainte du partisan".

Oberbürgermeisterin Kalisch dankte denjenigen, die die Umgestaltung eingefordert und intensiv begleitet haben. Dazu zählte sie auch die Erarbeitung der Texttafeln durch den Arbeitskreis Erinnerungskultur. Ein besonderer Punkt war der Rückschnitt der über Jahrzehnte tief im Boden wurzelnden, ausufernden Rhododendren-Büsche – die aber mit Rücksicht auf die ewige Totenruhe im Judentum nicht ausgegraben werden sollten. Es gelang, einen Weg zu finden. Die Grabreihen sind wieder sichtbar, die Gräber sind nummeriert, die neuen Pflanzen sorgfältig ausgewählt.

◼︎ Geschichte

Auf dem Ehrenfriedhof für die KZ-Opfer ruhen heute noch 156 von ehemals 256 KZ-Häftlingen eines Evakuierungstransportes aus dem KZ Neuengamme bei Wilhelmshaven. Am 7. April 1945 wurden sie in ihren Güterwaggons auf dem Bahnhofsgelände Lüneburg durch einen Luftangriff getötet. Häftlinge, die zu fliehen versucht hatten, wurden wieder eingefangen und von den Wachmannschaften erschossen. Sie wurden zunächst in einem Massengrab verscharrt und später auf Befehl der englischen Besatzungsbehörde auf den heutigen Platz umgebettet.

In den 1950er-Jahren wurden etwa einhundert der damals 256 Häftlinge aus westeuropäischen Ländern exhumiert und in ihre Heimat, vornehmlich Holland, überführt. Zudem sollen elf weitere KZ-Häftlinge bei einem Transport am 10. April aus Bergen-Belsen umgekommen sein. Bei einem Halt in Lüneburg sollen sie aus dem Zug geworfen, am Bahndamm verscharrt und erst später auf der Kriegsgräberstätte Am Tiergarten beigesetzt worden sein.