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Und was sagt die Politik dazu?

LGheute bat die Ratsfraktionen um Stellungnahme zum Baustellen-Debakel am Sande

Wann am Platz Am Sande wieder Busse fahren, ist offen. Noch immer gibt es offene Baugruben. Foto: LGheuteLüneburg, 16.10.2024 - Die zum zweiten Mal um einen ganzen Monat verlängerte Bauzeit für die Avacon-Baustelle in der Roten Straße und am Platz Am Sande hat deutliche Kritik ausgelöst. Sowohl die Händlerorganisation LCM als auch Lüneburgs früherer Oberbürgermeister Ulrich Mädge hatten dabei sowohl das Agieren der Stadtverwaltung als auch das von Avacon missbilligt. Mädge fordert sogar Entschädigungszahlungen durch Avacon an die von der weiter andauernden Bus-Sperre betroffenen Geschäftsleute. Von der Lüneburger Politik war dazu bislang noch nichts zu hören. LGheute hat nachgefragt. 

Die Bauarbeiten in der Roten Straße / Am Sande sind nun erneut um einen Monat verlängert worden – mit entsprechend nachteiligen Folgen für die zahlreichen Bus-Kunden. Ganz besonders aber sind die dort ansässigen Geschäftsleute von der Bus-Sperrung betroffen, die Umsätze sind laut LCM um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen. Die Stadtverwaltung sieht sich gleichwohl nicht verantwortlich für die Probleme ("Das ist nicht unsere Baustelle"). Auch die Avacon versucht, sich mit Hinweisen auf den problematischen Bauuntergrund ihrer Verantwortung für die Einhaltung der ursprünglich genannten Bauzeit von drei Monaten zu entziehen, was aber mit Blick auf die Arbeit, die insbesondere von ihr dort in den letzten Jahren vorgenommen wurden, wenig stichhaltig ist (LGheute berichtete).

Wie stehen nun die im Rat der Stadt vertretenen Fraktionen zu dem anhaltenden Baustellen-Debakel? LGheute hat ihnen drei Fragen gestellt. Hier die Antworten, aufgelistet nach der Stärke der Fraktionen.

◼︎ Wie bewerten Sie die Vorgänge?

Ulrich Blanck (Grüne): "Die Verlängerung der Bauarbeiten beschäftigt auch mich. Ich habe dazu mit Avacon Chef Thomas Meier gesprochen, der mir erläutert hat, auf welche unabsehbaren Schwierigkeiten die von der Avacon beauftragen Bauunternehmen in der Roten Straße gestoßen sind. Herr Meier versicherte mir, dass die Baustelle in jedem Fall vor Beginn des Weihnachtsmarktes abgeschlossen sein wird. Die Verzögerung erscheint mir in dem Kontext zwar bedauerlich, aber eben leider ebenso unvermeidbar."

Hiltrud Lotze und Uwe Nehring (SPD): "Dass es auf Baustellen zu Verzögerungen kommen kann, das ist bekannt. Warum aber die Avacon und die Stadtverwaltung ihr Baustellen- und Kommunikationsmanagement darauf nicht von Anfang an abgestellt haben, das können wir absolut nicht nachvollziehen. Zu Recht kritisiert deswegen die LCM die aktuelle Situation. Dabei zeigt sich die Oberbürgermeisterin wieder einmal wenig kritikfähig. Statt auf die Inhalte der Kritik einzugehen, schiebt sie den Kritikern die Schuld zu. Das hilft den Gewerbetreibenden Am Sande nicht."

Wolfgang Goralczyk (CDU): "Zuerst: Die Baustellen sind notwendig, aber die aktuellen Verzögerungen zeigen deutlich, dass hier gravierende organisatorische und kommunikative Fehler gemacht wurden. ... Als CDU-Fraktion sehen wir es sehr kritisch, dass diese Baumaßnahmen nun in die wirtschaftlich wichtige Vorweihnachtszeit hineinreichen. Das sich die Stadt hier nun versucht, aus der Verantwortung zu ziehen, ist ein katastrophales Zeichen an den Einzelhandel. Hier wäre entschlossenes Handeln für unsere Stadt gefragt gewesen – gemeinsam mit allen daran beteiligten Akteuren."

Frank Soldan (FDP): "Ich weiß nicht, wie die genaue Vereinbarung der Stadtverwaltung mit der Avacon lautet. Uns wurde nicht mitgeteilt, wie mit einer Überschreitung des Fertigstellungstermins umgegangen wird. Ob "Strafen" vereinbart wurden, ob "Entschädigungszahlungen" teil der Vereinbarung sind und vieles mehr. Wir wissen nicht, wann die avacon feststellte, dass der Fertigstellungstermin Ende September nicht zu halten ist und wann die Stadt informiert wurde. Wir wurden im Mobilitätsausschuss am 10. September darüber informiert, dass die Avacon mit dieser Baumaßnahme drei Wochen im Verzug wäre. Am 11. Oktober erhielten wir eine E-Mail, in der wir über die erneute Verzögerung um sieben Wochen bis zum 24. November informiert wurden. Diese Information gab die Avacon an diesem Tag gegenüber Pressevertretern ab. Wieder einmal zeigt sich, dass die Kommunikationswege in Lüneburg noch deutlich zu optimieren sind.

Robin Gaberle (AfD): "Tatsächlich bin ich mir unsicher, ob man hier noch von Pech oder schlichtem Unvermögen sprechen sollte und man nicht vielmehr nachfragen sollte, ob hier nicht Vorsatz vorliegt."
 

◼︎ Welche Konsequenzen/Forderungen ergeben sich für Sie aus dieser Situation mit Blick a) auf die Stadtverwaltung und b) auf Avacon?

Ulrich Blanck (Grüne): "Konsequenzen oder gar Forderungen ergeben sich daraus nach meiner Einschätzung nicht."

Hiltrud Lotze und Uwe Nehring (SPD): "Die Avacon muss sich fragen lassen, ob sie die Baumaßnahmen, den Zeitaufwand, die zu erwartenden Schwierigkeiten richtig eingeschätzt hat. War die Planung realistisch oder von Anfang an geschönt? Die Stadtverwaltung muss sich fragen lassen, ob sie genügend Druck auf die Avacon gemacht hat, dass die Baumaßnahmen so zügig wie möglich ausgeführt werden. Warum wurde nicht darauf gedrungen, dass von Anfang an samstags gearbeitet wird? Wie lief die Abstimmung? Hat die Oberbürgermeisterin das Thema zur Chefinnensache gemacht? Und wenn beide, Avacon und Stadtverwaltung, im laufenden Verfahren festgestellt haben, dass die angekündigte Fertigstellungsfrist nicht einzuhalten ist, warum sind die Öffentlichkeit und vor allen Dingen die Geschäftsleute Am Sande nicht frühzeitig und persönlich informiert worden?  

Wolfgang Goralczyk (CDU): "Als CDU-Fraktion fordern wir ein produktives und schnelles Handeln der Oberbürgermeisterin und der Stadtverwaltung, die hier stärker moderierend eingreifen muss. Diese Schlüsselrolle in Koordination der Maßnahmen und Information der Öffentlichkeit muss besser bespielt werden. Gerade auch bei Baumaßnahmen in der Innenstadt ist ein transparenter Dialog mit den betroffenen Akteuren zu führen. Leider ist dies in der Vergangenheit auch bei anderen Projekten in der Innenstadt nur ungenügend passiert. Es gilt hier nun eine umfassende und transparente Fehleranalyse der Stadtverwaltung und Avacon durchzuführen, die ein besonderes Augenmerk auf die Kontrollmechanismen legt, damit Verzögerungen frühzeitig erkannt werden können. In erster Linie sind aber alle Maßnahmen zu treffen, die Baumaßnahmen schnellstmöglich abzuschließen und den Normalzustand wieder herzustellen!"

Frank Soldan (FDP): "Wir wissen nicht, wie intensiv die Verwaltung dieses für die Lüneburger Innenstadt herausragende Bauvorhaben begleitet. Wir erwarten, dass jetzt, wo das Wetter schlechter und es früher dunkel wird, wo mit Sicherheit weniger Personen die Strecke zwischen Bahnhof und Am Sande zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen, wo Besucher mehr auf den ÖPNV angewiesen sind als in den Sommermonaten, dass jetzt die Shuttle-Verbindung zwischen Bahnhof und Sande ausgeweitet wird und geprüft wird, ob mit Shuttle-Bussen auch vom Süden (zum Beispiel vom Theater) der Sande über die Kalandstrasse angefahren werden kann. Wir erwarten, dass Avacon und Stadtverwaltung schnellstmöglich mit den Geschäftsleuten ins Gespräch kommen, um Verbesserungen für die jetzige Situation zu erarbeiten. Dazu reichen Briefe nicht aus, eine Präsenzversammlung ist dazu notwendig. Wir befürchten, dass aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse es erneut zur Verschiebung der Wiedereröffnung der Rote Strasse kommen kann. Die Ursachen und Folgen der jetzigen miserablen Situation müssen aufgearbeitet werden, um daraus Verbesserungen für nächste Baumaßnahmen, aber auch Verkehrsveränderungen in Lüneburgs Innenstadt ziehen zu können." 

Robin Gaberle (AfD): "Generell sehen wir einen Mangel an durchdachter Planung nicht nur in dieser Situation. Mit Sorge betrachten wir auch an anderer Stelle die geplante gleichzeitige Sperrung der Dahlenburger Landstraße und der Bleckeder Landstraße. Priorität sollte sein, dass die Straßen und Brücken in einem guten Zustand sind und gehalten werden und der Verkehrsfluss durch Ausbau verbessert und nicht durch die Ausweitung von Tempo 30 Zonen, gesperrten Straßen, Umwidmungen auf Einbahnstraßen und das Stillegen von Parkplätzen verschlechtert wird. Aber genau das streben die grünen Ideologen in der Verwaltung an, um den Individualverkehr abzuschaffen."
 

◼︎ Was halten Sie von der Forderung von Alt-OB Mädge nach Entschädigungszahlungen von Avacon für die Geschäftsleute?

Ulrich Blanck (Grüne): "Die Forderung von Alt-OB Mädge nach Entschädigungszahlungen von der Avacon für die Geschäftsleute ist gänzlich unrealistisch und entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage – was Herr Mädge aber sicher auch weiß."

Hiltrud Lotze und Uwe Nehring (SPD): "Wir wissen aus Gesprächen, dass Geschäftsleute dort über Umsatzeinbußen in der Größenordnung von 20 Prozent oder mehr klagen. Avacon und Stadt dürfen die Geschäftsleute in dieser Situation nicht alleine lassen! Wir von der SPD-Fraktion erwarten deswegen jetzt von Avacon und Stadtverwaltung, dass sie in gemeinsamer Verantwortung umgehend alle Anlieger und betroffenen Geschäftsleute zu einem Gespräch einladen, damit deren konkrete Sorgen und Wünsche von den Verantwortlichen direkt gehört werden." Und: "Welche Maßnahmen und Aktionen können Avacon und Stadt anbieten, um die Geschäftsleute jetzt und nach der Wiederöffnung des Sandes zu unterstützten?"

Wolfgang Goralczyk (CDU): "Die Forderung von Alt-OB Mädge nach Entschädigungszahlungen sind eine rechtliche Fragestellung und keine politische, es wird auch nicht gesagt, woher das Geld kommen soll. Klar ist aber, dass die betroffenen Geschäftsleute durch die verlängerte Bauzeit massive finanzielle Einbußen erleiden. Hier muss nun miteinander und nicht übereinander gesprochen werden, und zwar mit allen beteiligten und betroffenen Akteuren." 

Frank Soldan (FDP): "Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem, dass denjenigen, die unter der jetzigen Situation leiden müssen, schnell geholfen wird. Nur mit dem Finger auf einzelne zu zeigen und ihnen die Schuld zuzuweisen, bringt jetzt keine Verbesserung der miserablen Situation. Die Verwaltung hat einerseits recht mit der Aussage "Das ist nicht unsere Baustelle", andererseits liegt die Baustelle in ihrem Verantwortungsbereich, auf öffentlichem Grund. Sie kann also die Verantwortung nicht gänzlich von sich weisen." 

Robin Gaberle (AfD): "Hier können wir keine Empfehlung abgeben. Vielleicht sollten die Geschäftsleute das aber mal durchklagen und damit einen Präzedenzfall schaffen."

Von der Gruppe Die Linke/Die Partei und dem fraktionslosen Ratsherrn Sören Köppen (Die Basis) gab es keine Stellungnahmen.

◼︎ Dazu bisher auf LGheute:

 

 

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