header

Hat das Rathaus ein Problem mit der Pressefreiheit?

SPD fordert Entschuldigung der Oberbürgermeisterin – Anlass ist Berichterstattung von LGheute 

Die Bürofenster der Oberbürgermeisterin – rätselhaft, wie hier bisweilen Politik gemacht wird. Foto: LGheuteLüneburg, 18.08.2024 - "Sie stellen mit Ihren Äußerungen Vertreter des Seniorenbeirats und der Onlinemedien in eine Reihe mit Demokratiefeinden. Wir erwarten, dass Sie sich für dieses Verhalten entschuldigen." Diesem harten Vorwurf – er ist einer von mehreren Punkten einer Anfrage der SPD-Stadtratsfraktion – sieht sich gegenwärtig Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch ausgesetzt. Anlass sind öffentliche Äußerungen von ihr zur Berichterstattung unter anderem von LGheute, die erhebliche Zweifel an ihrem Verständnis von Pressefreiheit aufkommen ließen. Am 22. August muss sie sich im Rat dazu äußern.

Es war die von der Stadtverwaltung geplante, angekündigte und letztlich auch erfolgte und noch andauernde Sperrung des Platzes Am Sande für Busse, die LGheute über Wochen in mehreren Beiträgen kritisch begleitete. Darin kam auch der frisch gewählte Seniorenbeirat zu Wort, der der Stadtverwaltung unter anderem "stümperhafte" Vorbereitung vorgehalten hatte. Berichtet wurde aber auch über die Widersprüche, in die sich die Verwaltung zunehmend verwickelte, nachdem LGheute wegen der von der Verwaltung getroffenen Behauptung, Busse könnten am Sande nicht wenden, gegenteilige Aussagen des Busbetreibers KVG veröffentlichte.

Offenbar hatte die Berichterstattung auf LGheute und auch auf dem Online-Portal "Lüneburg aktuell" im Rathaus einen wunden Nerv getroffen. Anders sind die Auslassungen von Oberbürgermeisterin Kalisch in der Ratssitzung am 30. Mai jedenfalls kaum zu erklären. Unter dem Tagesordnungspunkt "Mitteilungen der Verwaltung" kritisierte sie sowohl den Seniorenbeirat als auch die "Onlinemedien" – gemeint sind LGheute und "Lüneburg aktuell" – wegen deren Berichterstattungen.

◼︎ "Der Lüge bezichtigt" – trifft so nicht zu

Empört hatte sich Kalisch auch über einen Kommentar von LGheute. Herausgeber Ulf Stüwe hatte in seinem Kommentar "Echte Probleme" vom 29. Mai geschrieben: "Die Stadtverwaltung begründet ihre Pläne damit, dass die Busse auf dem Sand nicht wenden könnten. Dass dies durch eine einfache Nachfrage der Fußgänger-Lobbyisten beim Busbetreiber KVG widerlegt wurde, zeigt, dass man sich in der Verwaltung anscheinend nur noch mit Notlügen zu retten hofft." Und in dem Hinweis auf diesen Kommentar auf der Facebookseite von LGheute vom selben Tag hieß es: "Scharfe Kritik an den Plänen der grünen Stadtverwaltung gibt es nun auch von den Fußgänger-Aktivisten. Gravierend dabei: Sie haben die Verwaltung offenbar bei einer Lüge erwischt."

In der betreffenden Ratssitzung sagte Kalisch dazu: "Inzwischen haben sich Onlinejournalisten als seine (Anm.d.Red.: gemeint ist der Seniorenbeirat) Verstärker geriert und die Verwaltung der Lüge bezichtigt" – eine Aussage, auf die auch die SPD in ihrer Anfrage eingeht und von der Oberbürgermeisterin Belege verlangt. 

Das dürfte der Stadtverwaltung schwerfallen. Denn einen solchen Vorwurf hat es so nicht gegeben, er ist lediglich in Betracht gezogen worden, wie die entsprechenden Formulierungen zeigen – üblich, wenn Vermutungen naheliegen, aber Beweise fehlen. Weil das auch das Rathaus weiß – oder wissen sollte, schließlich ist mit Sebastian Balmaceda seit einigen Monaten ein ehemaliger "BILD"-Reporter engster Mitarbeiter der Oberbürgermeisterin –, gab es weder auf den Kommentar noch auf den Facebook-Eintrag hin eine direkte Reaktion aus dem Rathaus. Weder ein Anruf noch eine E-Mail noch ein Brief gingen dazu bislang bei LGheute ein.

◼︎ Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit im Raum

Auch eine Einladung zu einem klärenden Gespräch ins Rathaus gibt es bis heute nicht, obwohl Kalisch selbst es war, die dies in der bemerkenswerten Ratssitzung einforderte. Dort behauptete sie: "Diese Tonart, diese Verhaltensweisen widersprechen allem, was unsere Stadt auf der Demokratiemeile demonstriert hat, zu allererst Respekt. Und das bedeutet erstmal, miteinander zu sprechen." Steht LGheute aus Sicht der Oberbürgermeisterin also nicht auf dem Boden der Verfassung? Weil ihre Äußerung – "… widersprechen allem, was unsere Stadt auf der Demokratiemeile demonstriert hat …" einen solchen Verdacht aufkommen lässt, hakte die SPD entsprechend nach und erwartet dafür eine Entschuldigung. 

Die aber ist nicht in Sicht. Auf die Forderung antwortet Kalisch schriftlich: "Es ist sehr bedauerlich, dass die SPD zu dieser abwegigen Interpretation kommt. Das trifft nicht zu. Ich verbitte mir solche Unterstellungen. Einen solchen Vergleich hat es natürlich nicht gegeben."

Anders hätte das Rathaus, will man sich selbst der Demokratiefeindlichkeit nicht bezichtigen lassen, auf diese Forderung auch kaum reagieren können. Ein unangenehmer Beigeschmack bleibt dennoch hängen. Sollte die freie Presse, zumindest die unliebsame, eingeschüchtert werden?

Die Möglichkeit, sich ein eigenes und umfassendes Bild über das Verhalten des Rathauses in diesem Punkt zu verschaffen, bietet das Ratsinformationssystem der Stadt. Dort sind sämtliche Punkte der SPD-Anfrage sowie die entsprechenden Antworten und eingeforderten Belege einsehbar. Im Menüpunkt "Kalender", 22. August, sind die Unterlagen unter TOP Ö 26.5 online.

 

 

Kommentar schreiben