Volksinitiative durfte an Lüneburger "Demokratiemeile" nicht teilnehmen
Lüneburg, 25.05.2024 - "Erleben, wie das Grundgesetz im kommunalen Bereich umgesetzt und gelebt wird" – das, so die Lüneburger Stadtverwaltung, sollte das Ziel sein der "Demokratiemeile", mit der die Stadt das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes vor zwei Tagen zu würdigen gedachte. Dass die Veranstaltung so wirklichkeitsgetreu geriet, hatten die Akteure, die für Demokratie, Vielfalt und Gleichberechtigung warben, dann aber wohl doch nicht erwartet. Denn das Lüneburger Demokratie-Fest entpuppte sich als Veranstaltung, an der nur Auserwählte teilnehmen durften. Die Initiative "Stoppt Gendern in Niedersachsen" sollte nicht dabei sein.
"Die Veranstalter schlossen die Volksinitiative kurzerhand aus, ohne Begründung. Die Absage liegt schriftlich vor", erklärt Sabine Mertens auf LGheute-Nachfrage, warum die Initiative auf dem Demokratie-Fest nicht erwünscht war. Die Organisatorin der Dachplattform "stoppt-gendern.de", die die Interessen der Volksinitiativen gegen das Gendern in Deutschland zentral bündelt, kann das Vorgehen der Veranstalter immer noch nicht fassen. "Der Auschluss einer Volksinitiative von einer Feier zur Demokratie, bloß weil einem deren Anliegen nicht genehm ist, pervertiert den Kerngedanken der Demokratie." Es sei erschreckend, dass die Veranstalter, die für Vielfalt und Toleranz in Lüneburg werben, eine steuerfinanzierte Feier für die Demokratie missbrauchten, "um Meinungspluralität de facto zu unterdrücken".
◼︎ Polizei musste Volksinitiative schützen
Dieses Vorgehen ist allerdings kein Einzelfall, auch in Lüneburg nicht. Denn schon bei einer Veranstaltung von "Stoppt Gendern in Niedersachsen" im April habe es massive Behinderungen gegeben, sowohl gegen Vertreter der Initiative als auch gegen Gastronomen, bei denen die Gender-Gegner über ihr Anliegen informieren wollten, wie Dr. Achim Sohns, einer der Initiatoren der niedersächsischen Volksinitiative, berichtet.
"Die Szenen in Lüneburg waren teilweise schockierend", berichtet Sohns über die Vorfälle im April. Der Veranstaltungsort habe mehrfach verlegt werden müssen, einer der Wirte sei sogar von Demonstanten angegangen worden. Die Veranstaltung habe schließlich an einem anderen Ort stattfinden müssen. "Aber auch dort musste die Polizei verständigt werden, da die Teilnehmer durch das aggressive Agieren militanter Demonstranten um ihre Sicherheit besorgt waren."
◼︎ "Passt nicht zu unserer Veranstaltung"
Bei der "Demokratiemeile", bei der am Donnerstag rund achtzig Organisationen und Vereine mit Ständen und Aktionen auf ihre Arbeit aufmerksam machten, war die Volksinitiative dieses Mal gleich von vornheraus ausgeschlossen. Matthias Richter-Steinke, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der die Veranstaltung mit organisiert hat, begründet das Auftrittsverbot in der überregionalen Tageszeitung "taz" so: "Das Anliegen der Initiative richtet sich gegen Inklusion und passt daher nicht zu unserer Veranstaltung." Wer Vielfalt wolle, müsse dem auch in der Sprache Rechnung tragen.
Dem widerspricht Sabine Mertens deutlich: "Deutsch gehört zu den zehn schwierigsten Sprachen der Welt. Machen wir es denjenigen, die jetzt unsere Sprache lernen wollen, nicht unnötig schwer. Gendern konstruiert einen weltanschaulichen Streit in die Sprache hinein, der mit der Sprache an sich nichts zu tun hat." Achim Sohns ergänzt: "Eine Volksinitiative ist eine Stärkung der Demokratie. Ihr derart Steine in den Weg zu legen, ist eine erschreckende Missachtung der demokratischen Grundrechte, wie sie im Grundgesetz niedergeschrieben sind."
◼︎ In vier Bundesländern gibt es bereits Gender-Verbote
"Stoppt-Gendern" ist ein Projekt des gemeinnützigen "Vereins Deutsche Sprache", der sich seit über einem Vierteljahrhundert für die Förderung und Bewahrung des Deutschen als Sprache von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft einsetzt. Mit der Plattform sollen "direktdemokratische Maßnahmen für die Rückkehr zum Standardhochdeutschen in der öffentlichen Kommunikation" unterstützt und Informationen über die Anti-Gender-Volksinitiativen bundesweit geliefert werden, wie es in einer Selbstdarstellung heißt.
Volksentscheide sind nur auf Landesebene möglich. Hamburg hat eine erste Hürde auf dem Weg zum Volksentscheid gegen Unterstriche, Doppelpunkte und Sternchen bereits genommen. Die Volksinitiative in Niedersachsen ist am 7. März gestartet. Sie endet, wenn 70.000 Unterschriften von den rund sechs Millionen stimmberechtigten Niedersachsen eingegangen sind, spätestens jedoch nach einem Jahr am 7. März 2025.
In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern gibt es Gender-Verbote bereits – ganz ohne Volksauftrag.