Walmsburg, 23.01.2012 - Die geplante Elbbrücke bei Neu Darchau beschäftigt die Politik seit Jahren. Doch so recht will es mit dem Projekt nicht vorangehen. Ein neues Gutachten zu den Auswirkungen der Brücke für die Region wurde kürzlich dem Wirtschaftsausschuss des Kreistags vorgestellt, dem seit November 2011 erstmals auch der Walmsburger Wilhelm Kastens (CDU) angehört. Er spricht sich für den Bau der Brücke aus.
Im Gespräch mit LGheute erläutert er seinen Standpunkt.
LGheute: Herr Kastens, Sie treten für den Bau der Elbbrücke bei Neu Darchau ein. Warum?
Wilhelm Kastens: Seit über 20 Jahren warten die Menschen diesseits und jenseits der Elbe auf eine feste Elbquerung im Landkreis Lüneburg, die beide Kreisgebiete verbindet. Die Bürgerinnen und Bürger des Amtes Neuhaus gehören zum Landkreis Lüneburg. Wenn die Struktur fehlt, dass die Menschen sich regelmäßig treffen können, es keinen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch gibt, Arbeitsplätze gefährdet sind, dann ist es wichtig, dass man sich für so ein Projekt einsetzt.
LGheute: Die Kosten für den Bau der Brücke sind immens, von rund 60 Millionen Euro ist die Rede. Sollte man das Geld nicht besser woanders investieren?
Wilhelm Kastens: Die tatsächlichen Kosten der Elbbrücke sind erst nach einer Ausschreibung genau zu beziffern. In dem strukturschwachen Ostkreis sind wirtschaftliche Impulse dringend erforderlich, damit er nicht weiterhin am Tropf der öffentlichen Hand hängt und eine gewisse Selbstständigkeit erlangt. Hierzu ist die Brücke ein ganz wichtiger Beitrag, ausgleichend zu wirken.
LGheute: Von dem Bau der Brücke erhoffen sich Viele eine Belebung der Wirtschaft in der Region. Ein "Boomtown Amt Neuhaus" haben die Gutachter aber explizit ausgeschlossen. Wäre es da nicht besser, sich gleich auf den Tourismus zu konzentrieren?
Wilhelm Kastens: Das ist nicht ganz korrekt. Die wirtschaftliche Ausstrahlung dieses Projektes ist im Ostkreis und insbesondere im Amt Neuhaus mit "besonders positiv" bewertet worden.
Der Tourismus wird durch die Brücke einen besonderen Schub bekommen und die Attraktivität der Region erheblich steigern. Weiterhin hat die Brücke große soziale und kulturelle Vorteile. Die erheblichen Entlastungen der Umwelt dürfen nicht unerwähnt bleiben. Dazu ist der große land- und forstwirtschaftliche Vorteil nicht zu unterschätzen.
LGheute: Welche erheblichen Umweltentlastungen sehen Sie denn durch die Brücke?
Wilhelm Kastens: Die Bürgerinnen und Bürger in der Region müssen, um die jeweils andere Seite erreichen zu können, zum Teil weite Strecken mit dem Auto zurücklegen, denn die nächsten erreichbaren Brücken sind bei Dömitz und bei Lauenburg. Da kommen täglich viele Kilometer zusammen. Ein Großteil der land- und forstwirtschaftlichen Transporte wird über die Brücken in Lauenburg und Dömitz abgewickelt, hierdurch wird mehr CO2 produziert und mehr Energie verbraucht. Aber auch diejenigen, die als Berufstätige die Fähre nutzen, stehen oft lange vor den Fähranlegern im Stau.
LGheute: Die Landschaften links und rechts der Elbe sind gerade bei Naturfreunden besonders beliebt. Und die lieben doch die unverbaute Flusslandschaft und eher die romantische Elbquerung per Fähre. Ist eine Brücke da nicht kontraproduktiv?
Wilhelm Kastens: Eine Brücke ist nicht nur eine Verbindung zwischen dem einen und dem anderen Ufer, sondern auch ein Treffpunkt, eine Sehenswürdigkeit und ein Anziehungspunkt für Besucher.
Die Reize einer Fähre sind auch durch die neuen Möglichkeiten und Chancen einer Brücke zu erleben. Gerade Romantikern und Naturfreunden werden durch die Brücke große Möglichkeiten eröffnet, die Region und Umwelt diesseits und jenseits kennen zu lernen und zu erkunden.
LGheute: Nach Aussage der Gutachter wird die Brücke stärker von den Alteingesessenen in Neu Darchau begrüßt als von den neu Hinzugezogenen. Wäre es nicht sinnvoller, diejenigen zu unterstützen, die sich erst vor kurzem bewusst für diesen Standort ohne Brücke ausgesprochen haben?
Wilhelm Kastens: Der wirtschaftliche und strukturelle Vorteil kommt allen Bürgerinnen und Bürgern in der Region zu Gute. Einen Arbeitsplatz gut zu erreichen oder in der Nähe zu haben, ist in unserer Region von sehr großer Bedeutung. Auch die Zugezogenen haben hieran ein besonderes Interesse.
LGheute: Noch mal zurück zur Wirtschaft. Für den Bereich Neu Darchau haben die Experten als Neuansiedlungen lediglich eine Tankstelle und einen oder zwei Discounter ausgemacht. Was werden die etablierten Geschäfte vor Ort dazu sagen, wenn sie es mit neuer Billig-Konkurrenz zu tun bekommen?
Wilhelm Kastens: Kein Geschäft würde sich über mehr Kundschaft beschweren. Im Gegenteil, weitere Geschäfte bedeuten mehr Auswahl, eine bessere Lebensqualität, man würde mehr vor Ort einkaufen, und nebenbei entstehen sogar zusätzliche Arbeitsplätze.
LGheute: In dem Gutachten werden zwei Trassenführungen für die Brücke vorgeschlagen. Favorisiert wird die nördliche Trasse, die über den Ortsteil Katemin geleitet werden soll, einem reinen Wohngebiet. Halten Sie das für optimal?
Wilhelm Kastens: Die Trassenführung ist in der Tat nicht einfach. Die favorisierte Trasse über Katemin ist nach Abwägung und Prüfung aber möglich. Für einen Großteil der Bürgerinnen und Bürger ist diese Trasse aber eine weitaus geringere Beeinträchtigung als der derzeitige Verlauf durch den Ort.
LGheute: Befürchten Sie nicht, dass Katemin aufgrund der Lärmbelastung durch die Brücke auf Dauer als Wohnort unattraktiv wird? Damit würde sich doch ein Teil der Effekte, die man sich von der Brücke erhofft, ins Gegenteil kehren.
Wilhelm Kastens: Nein, das glaube ich nicht, der Verlauf der Trasse ist im Außenbereich zwischen Elbe und Neu Darchau / Katemin geplant und führt dann über Baulücken auf die Landesstraße. Die Belästigung und Beeinträchtigung durch den Ort ist derzeit weitaus höher.
LGheute: Ob letztlich für oder gegen die Brücke entschieden wird - die Menschen vor Ort brauchen baldmöglichst Gewissheit, um sich auf die Zukunft einstellen zu können. Wann wird die Politik Handlungsfähigkeit zeigen?
Wilhelm Kastens: Am 5. März 2012 wird der Lüneburger Kreistag über das weitere Verfahren entscheiden. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit des Lüneburger Kreistags sich für die Brücke einsetzt.
LGheute: Unsere letzte Frage: Wo möchten Sie heute in einem Jahr stehen?
Wilhelm Kastens: In einem Jahr würde ich mich freuen, wenn das Planfeststellungsverfahren und Raumordnungsverfahren mit positivem Ausgang abgeschlossen ist.
LGheute: Wir kommen darauf zurück und danken für das Gespräch.