Wie kann Strom trotz Energiewende bezahlbar bleiben? - Bundestagskandidaten beziehen Position
Lüneburg, 21.09.2013 - Obwohl die angekündigte Energiewende noch weit von ihrem eigentlichen Ziel entfernt ist, kennen die Strompreise seit langem nur eine Richtung: nach oben. Und während gutbetuchte Eigenheim- und Mehrfamilienhausbesitzer sich ihre Dächer durch staatlich subventionierte Solaranlagen vergolden lassen und sich zwanzig Jahre lang über garantiert hohe Einnahmen freuen dürfen, geraten immer mehr Menschen durch ständig steigende Stromrechnungen an den Rand echter Existenznot. Wird die Energiewende zur Armutsfalle? In der sechsten und letzten 100-Wörter-Fragerunde haben wir die Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Lüneburg und Lüchow-Dannenberg gefragt, was sie unternehmen wollen, damit Strom für Alle bezahlbar bleibt.
LGheute: Was wollen Sie unternehmen, um Energie nicht zu einem Luxusgut für Wenige werden zu lassen?
Hiltrud Lotze, SPD: "Dank Energiewende sind die Preise an der Strombörse deutlich gesunken. Die Stromanbieter sollen deshalb verpflichtet werden, diesen günstigen Einkaufspreis an die Verbraucher weiterzugeben. Die SPD wird außerdem die Stromsteuer um 25 Prozent senken. Drittens muss die Anzahl der Betriebe, die von der EEG-Umlage befreit sind, wieder begrenzt werden. Das ist auch notwendig, denn die Europäische Union droht bereits mit Strafen wegen unerlaubter Subventionen an die Wirtschaft. Und viertens könnte die Solarförderung - sofern die Preise für Solarmodule weiter fallen - verringert werden. Alles zusammen wird dazu beitragen, den Strompreis zu stabilisieren, ohne die Energiewende zu gefährden."
Dr. Tobias Debuch, FDP: "Wir dürfen nicht zulassen, dass Energiepreise zur sozialen Frage werden. Überwiegend verantwortlich für den Anstieg unserer Energiekosten ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Wir müssen daher dringend daran arbeiten, die von Rot-Grün in diesem Gesetz verordnete teure Überförderung zu bremsen. Sie führt zu höheren Strompreisen für uns alle. Die FDP will mehr Markt im Sektor der erneuerbaren Energien und raus aus der Planwirtschaft. Die Festlegung von Strompreisen durch die Politik darf kein Dauerzustand sein. Und wir müssen die Ausnahmen des Gesetzes auf die Unternehmen reduzieren, die wirklich in einem internationalen Wettbewerb stehen."
Julia Verlinden, Grüne: "Kosten und Nutzen der Energiewende müssen gerecht verteilt werden. Die Strompreise für Privatverbraucher sind derzeit deutlich höher als für die Wirtschaft. Das liegt daran, dass viele Unternehmen ihren Strom an der Börse kaufen und dass 1700 Unternehmen von der EEG-Umlage befreit sind. Das heißt, sie beteiligen sich nicht am Ausbau der Erneuerbaren Energien, stattdessen müssen Privatverbraucher sowie kleine und mittlere Betriebe deren Anteil mit bezahlen. Wir Grüne wollen diese Ausnahmen zurückfahren: damit würden Privatverbraucher und kleinere/mittlere Unternehmen um 4 Milliarden Euro entlastet. Die Energiewende wird durch Energieeffizienz kostengünstiger: Je weniger Energie wir verbrauchen, desto unabhängiger sind wir von Preissteigerungen der Energierohstoffe."
Johanna Voß, Linke: "Unser Vorschlag ist, die Stromversorger zu einem Tarifmodell mit einem kostenlosen Grundkontingent zu verpflichten. Der über dieses Freikontingent hinausgehende Stromverbrauch wird entsprechend teurer. Diese Maßnahme ist kostenneutral, sorgt für Stromeinsparung und macht Schluss mit Stromsperren. Außerdem wollen wir eine effektive Strompreisaufsicht, damit der sinkende Börsenpreis an die Endkunden weitergegeben wird, und das EEG wieder zu dem machen, wozu es gedacht ist. Allein bei der EEG-Umlage betragen die Begünstigungen für die Industrie 5,5 Milliarden Euro (2013), die die anderen Stromkunden zusätzlich zahlen müssen. Die Linke will diese Begünstigungen streichen. Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen sollen nicht den Strom für Großkunden subventionieren müssen."
Olaf Forberger, Piraten: "Weltweit gibt es einen immer größeren Bedarf an Erdöl, Gas und Kohle. Unsere Vorräte sind aber endlich. Deshalb wird der Preis weiter steigen. Doch hier liegt unsere Chance: Wir können unsere Energiegewinnung auf regenerative Quellen umbauen. Langfristig ist regenerative Energie preiswerter. Aber zusätzliche Industrieprivilegien haben die letzte EEG-Umlage erhöht, fast doppelt soviel wie der Zubau an Erneuerbaren Energien. Diese Industrieprivilegien müssen zurückgenommen werden. Das wird aber nicht reichen. Viele Häuser sind zurzeit Energieschleudern. Wir müssen dringend Energie einsparen. Günstige KfW-Kredite können bei Sanierungen helfen. Wir brauchen eine transparente, dezentrale Stromerzeugung, die möglichst in Bürgerhand liegt."
Michael Recha, AfD: "Energie und unsere auf Technik basierte Lebensweise ist Luxus! Wir nehmen heute viele Annehmlichkeiten als selbstverständlich, sind abhängig von elektrischem Strom. Wir müssen Energieversorgung als Grundversorgung bezahlbar halten, obwohl Ressourcennutzung aufwendiger wird. Da hat Frau Verlinden Recht, Energieeffizienz und intelligente Nutzung müssen entwickelt werden. Wesentlich hierfür: keine Abhängigkeit von wenigen Ressourcen, sondern Engergieträgermix. Grundversorgung von Metropolregionen und Industrie mittelfristig über Großkraftwerke. Auf dem Land ist eine dezentrale autarke Eigenversorgung wirtschaftlich über Genossenschaften zu entwickeln, um durch die örtlich effizienteste Energiegewinnung Preise zu reduzieren. Dies ist das Gegenteil derzeitiger EEG-Investorensubventionen, die Wettbewerb und technische Entwicklung eher verhindern als fördern."
Sonni Tonne, PBC: "Ich bin für die Nutzung von regenerativen Energien. Der Atomausstieg war emontional und dadurch kostspielig. Die Atomkraftwerke kann man nicht einfach ausschalten, da der physikalische Vorgang nicht unterbrochen werden kann. Sie müssen gewartet werden, was zusätzlich Kosten verursacht. Ich bin dafür, dass die notwendigen Kosten von uns allen getragen werden und nicht auf den kleinen Endverbraucher umgelegt werden. Geldausgaben, die nicht dem Gemeinwohl dienen wie Gender Mainstreaming, sind zu beenden. Eine gute Familienpolitik setzt in letzter Konseqenz auch Gelder für eine gelungene Energiewende frei."
Bundestagskandidat Eckhard Pols (CDU) hat sich zu der Frage nicht geäußert.
Die vorangegangenen 100-Wörter-Themen:
- Die Grenze des Zumutbaren
- Familie - was ist das?
- Und wo bleibt der Wahlkreis?
- Wo der Schuh drückt
- Die Argumente der Kandidaten
Die Reihenfolge der Kandidaten entspricht ihrer Reihenfolge auf dem Stimmzettel zur Bundestagswahl 2013.
Erläuterung zu den Kurz-Bezeichnungen der Parteien:
CDU: Christlich Demokratische Union Deutschlands
SPD: Sozialdemokratische Partei Deutschlands
FDP: Freie Demokratische Partei
Grüne: Bündnis 90/Die Grünen
Linke: Die Linke. Niedersachsen
Piraten: Piratenpartei Niedersachsen
AfD: Alternative für Deutschland
PBC: Partei Bibeltreuer Christen
Weitere Beiträge und Berichte zur Bundestagswahl 2013 gibt es hier.