Der von der Stadt beschlossene Kauf der früheren "Lünebuch"-Immobilie wirft Fragen auf
Lüneburg, 22.11.2024 - Lüneburgs Verwaltung wächst und wächst. Allein in den letzten drei Jahren ist der Stellenplan um 360 Mitarbeiter angewachsen, inzwischen dürften es insgesamt mehr als 1.600 sein. Weil schon längst nicht mehr für alle Platz im Rathaus ist, wurden Räume angemietet, verteilt im Stadtgebiet. Deren Mietkosten – die Rede ist von 8,7 Millionen Euro in zehn Jahren – könnten eingespart werden, unter anderem durch den Kauf der früheren "Lünebuch"-Immobilie, sagt die Stadtverwaltung. Für den Rat war das offenbar so verlockend, dass er dem Kauf zustimmte. Aber war es auch klug? Allein bei den Kosten für die Immobilie drängen sich Fragen auf.
Es ist eine Immobilie in bester Innenstadtlage, direkt am Markt gelegen, gleich gegenüber dem Rathaus. Ideal eigentlich für jeden Investor, der in Lüneburg nach attraktiven Objekten Ausschau hält. Und doch steht das frühere "Lünebuch"-Haus seit Monaten leer. Nun will die Stadt zuschlagen und das Objekt kaufen. 2,2 Millionen Euro muss sie dafür auf den Tisch legen – ein Schnäppchen, wäre da nicht der angegriffene Zustand des Gebäudes.
Das 1962 errichtete Gebäude mit seinen zwei Giebeln muss von grundauf saniert werden. Heizung, Elektrik, Wärmedämmung, Barrierefreiheit, neuer Fahrstuhl, Brandschutz mit Rettungswegen – auf die Stadt kommt einiges zu. Hierfür setzt die Verwaltung 2,5 bis 3 Millionen Euro brutto an, wie eine LGheute-Nachfrage im Rathaus ergab. Bei einer Bruttonutzfläche, die von der Verwaltung mit 1.600 Quadratmetern angegeben wird, fallen so pro Quadratmeter Nutzfläche 1.562 Euro bis 1.875 Euro brutto Sanierungskosten an.
◼︎ Zahlen der Verwaltung "zu niedrig angesetzt"
Bei Fachleuten stößt diese Kalkulation auf Skepsis. "Das ist deutlich zu niedrig angesetzt", sagt etwa ein bekannter Lüneburger Bauträger. "Seriös muss bei solchen Projekten mit 3.000 Euro pro Quadratmeter gerechnet werden." Statt der 3 Millionen Euro, die von der Stadtverwaltung zugrunde gelegt werden, würden damit also 4,8 Millionen Euro anfallen, zuzüglich Mehrwertsteuer wären es 5,7 Millionen Euro. Allein für die Sanierung.
Zusammen mit dem Kaufpreis plus weiteren 200.000 Euro, die laut Ratsvorlage für Planungskosten anfallen, landet die Stadtverwaltung nach ihrer Schätzung bei maximal 5,4 Millionen Euro Gesamtkosten, während Fachleute 7 Millionen Euro ansetzen. "Ob es am Ende selbst bei diesem Betrag bleibt, ist allerdings fraglich", zeigt sich der Bau-Experte angesichts weiter steigender Baupreise skeptisch. Er würde von einer Sanierung ohnehin abraten: "Ein Neubau wäre vermutlich günstiger."
◼︎ Einsparpotential nicht realisierbar
Im Rathaus aber scheint man anders an die Sache heranzugehen. Um den Ratsmitgliedern die Zustimmung zum Kauf der Immobilie zu erleichtern, wurde in der Ratsvorlage das Augenmerk gezielt auf Einsparungen gerichtet, die durch Aufgabe der derzeit angemieteten Räume erzielt werden könnten. Laut Verwaltung sind dies 8,7 Millionen Euro innerhalb von zehn Jahren. Dieser Betrag ergibt sich aus dem "Standort-Masterplan", den die Stadt von dem Berliner Beratungsunternehmen Eurocres erarbeiten ließ. Danach sind derzeit rund 650 Mitarbeiter der Verwaltung an zwölf angemieteten Standorten in der Stadt verteilt untergebracht.
Nur: Allein durch den Kauf der "Lünebuch"-Immobilie ist die Verwaltung weit davon entfernt, dieses Einsparpotential erzielen zu können. Denn laut Masterplan sind für die Unterbringung der 650 Mitarbeiter 11.770 Quadratmeter erforderlich, wobei hier bereits die reduzierten Präsenzzeiten im Büro durch Annahme einer Vier-Tage-Woche zugrunde gelegt werden. Die "Lünebuch"-Immobilie bietet aber lediglich 1.600 Quadratmeter. Demnach müssten also weitere 10.000 Quadratmeter hinzugekauft werden, um die Mitarbeiter in stadteigenen Gebäuden unterzubringen und die Mietkosten einzusparen.
◼︎ Wo ist die Wirtschaftlichkeitsberechnung?
Wie aber sieht die Kalkulationsgrundlage für den Kauf der Immobilie aus? Konkret: Wie viele Mitarbeiter werden dort künftig arbeiten? Allein daraus ließe sich ja ableiten, ob der Erwerb der Immobilie wirtschaftlich ist.
Einer Anfrage von LGheute dazu weicht das Rathaus aus. "Zur inhaltlichen Ausgestaltung der Liegenschaft wird die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit rechtzeitig informiert", teilte die Pressestelle mit. Erst auf weitere Nachfrage räumt die Verwaltung ein, dazu keine Auskunft geben zu können: "Es ist sachlogisch, dass vor dem Hintergrund der mit dem Erwerb und dem damit verbundenen und dem Rat gegenüber dargestellten Effekten erst nach einer abschließenden Feinbeplanung des Objektes und der Festlegung der Organisationseinheiten, die das Objekt abschließend nutzen werden, konkrete Zahlen feststehen." Nach einer Wirtschaftlichkeitsberechnung im Vorfeld des Kaufs klingt das jedenfalls nicht.
◼︎ Wurden die gesetzlichen Vorgaben beachtet?
Spannend dürfte auch sein, inwieweit der Kauf der Immobilie den Vorgaben der Gemeindehaushaltsverordnung entspricht. Dort ist heißt es: "Bevor Investitionen von erheblicher finanzieller Bedeutung beschlossen werden, soll durch einen Wirtschaftlichkeitsvergleich unter mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten die für die Gemeinde wirtschaftlichste Lösung ermittelt werden." In der Vorlage, die dem Rat zur Zustimmung zum Kauf vorgelegt wurde, ist davon nichts zu lesen.
◼︎ Dazu bisher auf LGheute:
- 01.11.2024: Künftig Akten statt Kunden