In Lüneburg ist die Fahrrad-Lobby besonders stark – den ADAC sucht man hingegen vergebens
Lüneburg, 06.09.2024 - Wenn am Dienstag der Mobilitätsausschuss der Stadt zusammenkommt, wird es wie so oft in diesem Gremium darum gehen, die Stadt noch fahrradgerechter zu machen. Dafür sorgt nicht nur die Grün-geführte Stadtverwaltung, die sich den Umbau Lüneburgs zur Radfahrer-Stadt auf die Fahnen geschrieben hat, dafür sorgt auch die Zusammensetzung des Ausschusses selbst. Denn neben einer Grünen Vorsitzenden und weiteren drei Grünen Ausschussmitgliedern sitzen dort auch Vertreter der Lüneburger Fahrrad-Lobby. Autofahrer-Interessen aber kommen deutlich zu kurz – auch, weil der ADAC an dem Ausschuss kein Interesse hat.
Zehn Ratsmitglieder sind im Mobilitätsausschuss stimmberechtigt vertreten, neben den Grünen sind dort auch die SPD mit drei Mitgliedern, die CDU mit zwei Mitgliedern und die Gruppe Die Linke/Die Partei mit einem Mitglied dabei. FDP und AfD sind auch vertreten, haben aber kein Stimmrecht. Das Gewicht der fahrradfixierten Grünen und Teilen der SPD ist daher entsprechend hoch.
◼︎ Die Themen bestimmen die Lobbyisten
Daneben dürfen im Ausschuss aber auch andere Gruppen als beratende Mitglieder ohne Stimmrecht mitreden, darunter der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der Verkehrs-Club Deutschland (VCD), der vor allem den ÖPNV favorisiert, und der Allgemeine Studenten-Ausschuss (AStA), der sich bekanntlich nicht an den Interessen der Autofahrer orientiert. Auch der Bus-Betreiber KVG hat im Ausschuss Rederecht, ebenso die Polizei. Letztere wird gefragt, wenn es um verkehrsrechtliche Fragen geht, etwa, ob die Hindenburgstraße eine gesonderte Fahrradspur bekommen darf, was die Polizei mit Verweis auf die zu geringe Breite der Straße verneinte und damit die Stadtverwaltung verärgerte (LGheute berichtete).
Ein Blick auf die Tagesordnung des Mobilitätsausschusses für den 10. September macht deutlich, wie die Interessen gewichtet sind. So geht es unter Punkt 7 um Rotmarkierungen an Kreuzungen für Radfahrer, unter Punkt 8 um die Verkehrswende in Stadt und Land, unter Punkt 9 um den Nachhaltigen Urbanen Mobilitätsplan (NUMP), unter Punkt 10 um Änderungen in der Salzstraße zugunsten des Rad- und Fußverkehrs, unter Punkt 11 um die "Optimierung des Radverkehrsflusses im Bereich Jägerstraße", unter Punkt 12 um die Einrichtung von sicheren Fahrradabstellanlagen im Stadtgebiet und unter Punkt 13 um die Abschaffung von "Bettelampeln" – allesamt Themen, die zu Lasten des Autoverkehrs gehen.
◼︎ "Für uns nicht darstellbar"
Interessen der Autofahrer kommen hier, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Mal ist es die CDU, die sich gegen den Abbau von Parkraum ausspricht, mal die SPD, wenn Parkplätze an den Sülzwiesen kostenpflichtig werden sollen, mal die IHK, wenn es um die A39 geht, mal der Verein Lüneburger Citymanagement (LCM), der stets einen kritischen Blick auf alles wirft, was aus dem Grünen Rathaus kommt, wie zuletzt bei seiner Kritik an der Sperrung des Platzes Am Sande für Busse.
Warum nun ausgerechnet die Organisation, die seit Jahrzehnten vorgibt, die Interessen der Autofahrer zu vertreten, der ADAC, nicht im Mobilitätsausschuss der Stadt vertreten ist, macht daher stutzig. Ist der ADAC im Ausschuss etwa nicht willkommen? LGheute fragte direkt bei der Organisation nach und bekam erstaunliche Antworten.
"Das ist für uns nicht darstellbar", sagt Christian Hieff, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim ADAC Hansa in Hamburg. "Sehr oft erhalten wir Einladungen, bei regionalen Projekten oder Ausschüssen mitzuwirken. Doch eine ständige Mitwirkung in Ausschüssen oder Landkreissitzungen würde uns aufgrund der Größe unseres Zuständigkeitsbereichs überfordern. Eine Bevorzugung oder Konzentration unserer Arbeit auf einen Landkreis oder eine Region wäre unseren Mitgliedern nur schwer vermittelbar."
◼︎ Offenbar zu groß
Wie sehr dies nach einer schwachen Ausrede klingt, zeigt der Blick auf die Größe des ADAC Hansa. Er umfasst die Bundesländer Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie die Landkreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg und Herzogtum Lauenburg mit insgesamt 1,1 Millionen Mitgliedern. Im Vergleich mit dem VCD, der es auf 55.000 Mitglieder bringt, und dem ADFC, der rund 230.000 Mitglieder hat, ist der ADAC also eine beachtliche Organisation – die es dennoch nicht schafft, das Gewicht ihrer Mitglieder in die politischen Gremien einzubringen, und zwar dort, wo tagein, tagaus Politik gegen die Autofahrer gemacht wird. Selbst in Lüneburg ist der ADAC kommunalpolitisch nicht präsent, obwohl hier mit einem Fahrsicherheitszentrum und einer Niederlassung vertreten.
Auf die Nachfrage, warum nicht wenigstens der lokale Niederlassungsleiter an den Sitzungen des Mobilitätsausschusses teilnimmt, der ohnehin nur sechs Mal im Jahr tagt, gab es keine Antwort. Stattdessen hieß es: "Dass wir keine ständigen Vertretungen in den Gremien anstreben, heißt jedoch nicht, dass wir keinen Einfluss nehmen. In Hintergrundgesprächen und auch durch unsere Öffentlichkeitsarbeit beraten und kommentieren wir aktuelle Projekte. Mit unserer Expertenreihe haben wir ein Forum geschaffen, zu dem wir Entscheidungsträger und Experten einladen, um uns über aktuelle Fragestellungen auszutauschen."
◼︎ Beteiligung gewünscht
Der LCM-Vorsitzende Heiko Meyer zeigt sich daher auch enttäuscht über die Abwesenheit des ADAC: "Mir fehlt in dem Ausschuss eine Vertretung für die Autofahrer." Der ADAC könne mit seiner Erfahrung und seiner Expertise für eine "gesunde Mischung" sorgen. "Wir würden eine Teilnahme sehr begrüßen."