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Wieder geht ein Familienbetrieb verloren

Das Modegeschäft Sellnau schließt Ende des Jahres – Rathaus stellt sich gegen Kritik – CDU fordert Maßnahmen

Das Modegeschäft Sellnau schließt zum Ende des Jahres. Foto: LGheuteLüneburg, 14.11.2024 - Der Schwund an inhabergeführten Unternehmen in Lüneburg, einst Markenzeichen der Stadt und Kundenmagnet weit über die Stadtgrenzen hinaus, geht weiter. Nun hat es auch das Modehaus "Sellnau" an der Bardowicker Straße erwischt. Das Unternehmen führt ausbleibende Kundschaft unter anderem wegen der Verkehrspolitik der Stadt als Begründung an. Ein Insolvenzverwalter ist bereits eingeschaltet, Ende des Jahres soll Schluss sein. Das Rathaus will die Gründe nicht akzeptieren. 

"Die Insolvenz der Boutique Sellnau und die anhaltend hohe Zahl an Leerständen in der Lüneburger Innenstadt sind ein deutliches Signal. Sie machen klar, dass wir dringend eine umfassende Strategie zur Stärkung unserer Innenstädte benötigen", sagt Anna Bauseneick, stellvertretende Vorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion. Es reiche nicht, nur die Leerstandszahlen zu erheben oder allgemeine Aussagen zum Wandel im Einzelhandel zu treffen. "Wir benötigen einen konkreten, langfristigen Plan, der auch die Verkehrspolitik und die Erreichbarkeit der Innenstadt als zentrale Themen aufgreift", so Bauseneick.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Goralczyk übt zugleich deutlich Kritik an der "schleichenden Verdrängung des Kfz-Verkehrs". Es sei unerlässlich, dass Lüneburgs Innenstadt weiterhin für alle Verkehrsträger zugänglich bleibt. "Der motorisierte Verkehr ist, genauso wie der Fahrradverkehr, der ÖPNV und die Fußgänger ein wesentlicher Bestandteil der Mobilität und der wirtschaftlichen Dynamik der Stadt. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Innenstadt durch Ideologie getriebene Entscheidungen gänzlich einschläft", so Goralczyk.

Inhabergeführte Geschäfte seien "das Herz unserer Innenstadt und bieten den einzigartigen Charme, den wir so dringend bewahren müssen", betont Bauseneick. Ihre Fraktion fordert daher einen umfassenden Bericht zum Sachstand der Innenstadtentwicklung, um gezielte und wirksame Maßnahmen ergreifen zu können.

◼︎ Rathaus reagiert verschnupft

Bei Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch kommt die Kritik an der Verkehrspolitik des Rathauses erwartungsgemäß nicht gut an. Anlass ist ein Artikel der "Landeszeitung", in dem entsprechende Vorwürfe erhoben wurden. Man habe dies "mit Erstaunen" gelesen. "Wenn ein Geschäft schließt, dann ist das bitter. Für die Inhaber, die Mitarbeitenden, die Kunden, für unsere Stadt. Wenn ein Geschäft schließt, dann hat das meist mehrere Gründe. Einseitige oder polarisierende Erklärungen zu suchen, wird den Fragen zum Wandel der Innenstadt jedoch nicht gerecht und erschwert auch die Entwicklung von Lösungen", teilte Kalisch heute mit.

In dem LZ-Artikel hatte der Insolvenzverwalter des Modehauses deutlich gemacht, dass die Verkehrspolitik der Stadt zumindest mitverantwortlich für die Schließung sei. Darin ist die Rede von "vielen Baustellen rund um die Innenstadt, die zuletzt entstandenen Fahrradstraßen und eine sinkende Anzahl von Parkplätzen". Als Folge dieser "Verkehrspolitik" habe es laut der Inhaberin zuletzt an der notwendigen Laufkundschaft gefehlt.

◼︎ "Falsche Annahmen"

Die aufgeführten Punkte weist die Stadt zurück. So gebe es lediglich eine Fahrradstraße, auch seien Parkplätze im Umfeld in den letzten Jahren nicht weggefallen. Abgesehen vom Umbau der Bardowicker Straße 2020 habe es durch Baustellen in der Innenstadt keine Veränderungen bei den Passantenzahlen gegeben, dies hätten entsprechende Frequenzmessungen ergeben. Ein deutlicher Rückgang während der Corona-Pandemie habe sich aber kontinuierlich erholt.

Zugleich spricht die Verwaltung aber auch von einem allgemeinen Strukturwandel, von dem nicht nur Lüneburg betroffen sei. Dass Geschäfte schließen, hänge in der Regel maßgeblich mit gestiegenen Kosten und dem geänderten Kaufverhalten der Menschen auch durch den Onlinehandel zusammen. Das ließe sich nicht mehr zurückdrehen. Die Chance könne daher nur darin bestehen, die Trends für den Erhalt von Geschäften in der Innenstadt zu nutzen und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. 

"Das Wiederholen solch falscher Annahmen macht die Stadt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht attraktiver und kann am Ende tatsächlich noch Kundinnen und Kunden abschrecken", warnt Kalisch. Sie verspricht aber auch: "Natürlich muss und wird die Erreichbarkeit der Innenstadt für alle Menschen immer möglich sein – egal, ob zu Fuß, mit dem Bus, Auto oder Fahrrad."

◼︎ Nicht mehr da

Unter anderem diese Lüneburger Traditionsgeschäfte hat es in der Lüneburger Innenstadt mal gegeben:

  • Bekleidungsgeschäft Hedemann
  • Buchhandlung Perl
  • Bürobedarf Wegener
  • Café und Bar Rauno
  • Fischgeschäft Schröder
  • Kaufhaus Kerber
  • Kolonialwarenhandel Carl H. Meyer 
  • Licht- und Radiohaus Willy Müller
  • Musikgeschäft Bohnhorst
  • Papierwaren Marcel Sieben
  • Papier- und Schreibwaren Oetke 
  • Porzellangeschäft Mummert
  • Schlachterei Meyer

 

 

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