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Aufgelesen: Die Macht des Wortes

Was Beitragsservice und Heilige Inquisition gemein haben

Foto: LGheute03.11.2022 - Die Macht des Wortes ist keine Erkenntnis der Neuzeit, doch in unseren Tagen wird sie besonders häufig eingesetzt – mitunter ziemlich plump. So dürfte der Wortschöpfer des "Gute-Kita-Gesetzes" kaum ernsthaft angenommen haben, das Gesetz damit jeglicher Kritik entziehen zu können. Ebenso fruchtlos war der Versuch eines Vaters, seinem Sohn den Vornamen "Doktor" geben zu können in der Hoffnung, ihm ohne jegliche Mühsal den gesellschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen. Doch es geht auch perfider.

"Beitragsservice" ist so ein Fall. Jeder Haushaltsvorstand kennt ihn, schließlich muss jeder für diesen "Service" zahlen, egal ob er will oder nicht. ARD, ZDF und Deutschlandfunk haben diesen Service eingerichtet, der lediglich dazu taugt, möglichst keinen bei der Eintreibung der Rundfunkbeiträge durch die Lappen gehen zu lassen.

Der Begriff verhöhnt damit all diejenigen, die kaum eine Chance haben, sich seiner Bestimmung zu entziehen. Neu ist diese Form sprachlicher Verschiebung allerdings nicht. Schon im Mittelalter wusste man um die relativierende Bedeutung von Begriffen. So war die "Heilige Inquisition" nicht die ergebnisoffene Untersuchung eines möglichen Tatbestandes, als die sie proklamiert wurde, sondern vieltausendfach ein Standgericht für die Aburteilung von Menschen, die nicht ins Bild der damaligen Gesellschaft passen sollten – nicht selten übrigens ausgelöst von Denunzianten, die damit auf persönliche Vorteile hoffen konnten.  

Zurück in die Gegenwart. Wie intensiv um den vermeintlich passenden Begriff gerungen wird, zeigt die Diskussion um die Bezeichnung von Menschen nichtweißer Hautfarbe. "People of colour" gilt aktuell als gesellschaftlich akzeptabel. Doch auch dieser Versuch einer hermeneutischen Fixierung dürfte lediglich die Halbwertzeit einer befristeten Juniorprofessorenstelle haben – an Universitäten also, wo der Kampf für neutralisierende Wortschöpfungen offenbar seit langem schon Kern wissenschaftler Arbeit ist. Wenn also Farben überhaupt noch eine Relevanz haben dürfen, dann allenfalls auf den Armbinden der Fußball-Nationalmannschaft.

In diesem Sinne sei an Botho Strauß erinnert, der diese Formen moderner Sprach-Heuchelei auf den Punkt brachte: "Aller Schwindel beginnt mit Metaphernschwindel."

 

 

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