Konjunktur: Schlechte Stimmung in den Unternehmen – IHKLW legt Umfrage vor
Lüneburg, 15.07.2023 - Deutschland ist wieder der "kranke Mann Europas", so zitiert der Deutschlandfunk heute einen der profiliertesten Wirtschaftsforscher, den Direktor der deutschen Wirtschaft Michael Hüther. Anlass zu dieser Einschätzung dürfte vermutlich auch die jüngste Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) gegeben haben. Danach hat sich die Stimmung der Unternehmen im Wirtschaftsraum Nordostniedersachsen "merklich eingetrübt".
Der Konjunkturklimaindikator fällt im Vergleich zum ersten Quartal 2023 um sechs Punkte auf einen Stand von 81 Punkten. Nach dem Anstieg in den beiden letzten Quartalen bewegt sich der Wert damit erkennbar unter seinem fünfjährigen Durchschnitt von 91 Punkten – wobei selbst dieser Durchschnittswert wegen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs ohnehin eher mäßig ausfällt.
◼︎ Auftragspolster schmelzen weiter ab
"Die regionale Wirtschaft leidet unter der hohen Inflation, kämpft mit einer schwachen Binnennachfrage und erhält auch auf der Exportseite kaum Impulse. Die schleppenden Auftragseingänge lassen die vormals dicken Auftragspolster weiter abschmelzen", kommentiert IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert die Konjunkturergebnisse für das zweite Quartal 2023. "Zusätzlich belasten die überbordende Bürokratie und der allgegenwärtige Arbeits- und Fachkräftemangel die Unternehmen, das aktuelle Agieren der Politik führt zu Verunsicherung."
Für die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) haben im Juni und Juli 177 Betriebe aus den Landkreisen Harburg, Heidekreis, Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Celle ihre aktuelle und künftige Wirtschaftslage eingeschätzt. Den stärksten Verlust verzeichnet die Dienstleistungswirtschaft mit einem aktuellen Konjunkturklimaindikator von 89 Punkten – 31 Punkte weniger als im Vorquartal. Ein Minus von 14 Punkten muss der Einzelhandel hinnehmen, der mit einem Indikatorwert von 79 Punkten weiterhin schwächelt. Auch die Großhändler verloren zehn Punkte und bleiben damit die schwächste Branche. Die Industrie hat gegen den allgemeinen Trend um fünf Punkte zugelegt und erreicht einen Konjunkturklimaindikator von 87 Punkten.
◼︎ Nur jeder zehnte Betrieb geht von Verbesserung der Lage aus
Zwar haben die befragten Unternehmen ihre aktuelle Lage pessimistischer eingeschätzt als im Vorquartal, dennoch ist die Mehrheit der Betriebe damit zufrieden. So bezeichnen 23 Prozent ihre Geschäftslage als gut und rund die Hälfte schätzt sie als befriedigend ein. 28 Prozent beurteilen ihre momentane Situation hingegen als schlecht.
Grund für den Abfall des Konjunkturklimaindikators sind vor allem die Rückmeldungen der Unternehmen zu ihren geschäftlichen Aussichten. Aktuell rechnen 42 Prozent mit Einbußen, fast jedes zweite Unternehmen meint, sein Geschäftsniveau halten zu können und von einer Verbesserung der Geschäfte geht nur noch jeder zehnte Betrieb aus. Düsterer waren die Prognosen bisher lediglich zum Höhepunkt der Corona-Krise und nach dem Schock zu Beginn des Ukraine-Krieges.
◼︎ Strompreis viermal so hoch wie in Frankreich
"Angesichts der angespannten Lage sind immer neue Vorschriften und Verpflichtungen mit verkürzten Umsetzungsfristen Gift für unseren Wirtschaftsstandort und drohen, die Betriebe zu überfordern", sagt Zeinert. Als Alarmsignal wertet er, dass in Niedersachsen mittlerweile jeder zehnte Betrieb in Betracht ziehe, einen Teil seiner Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern. "Das sollte ein Weckruf für die politisch Verantwortlichen sein, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern."
Einen Ansatzpunkt sieht Zeinert beim Strompreis, der für Industrieunternehmen in Deutschland aktuell viermal so hoch wie in Frankreich sei. "Es gilt, die Strompreise zu reduzieren und dazu die Netzentgelte abzusenken sowie die Unternehmen von Steuern und Umlagen zu entlasten." Außerdem brauche es eine Klimapolitik, die gemeinsam mit der Wirtschaft gedacht und gestaltet wird – etwa durch mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien, Technologieoffenheit und einen flexibleren Zeitplan zur Realisierung der Kohlenstoffdioxid-Reduktionsziele, so Zeinert.