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Täuschung für den Fahrradring?

Spurrillenbeseitigung neben der St. Johanniskirche wirft Fragen auf

Ein neuer Teilabschnitt des geplanten Fahrradrings ist an der St. Johanniskirche entstanden. Foto: LGheuteLüneburg, 19.12.2024 - Die Gelegenheit war günstig: Weil der Platz am Sande wegen der Baustelle in der Roten Straße über Monate für Busse gesperrt werden sollte, beschloss die Stadtverwaltung, während dieser Zeit auch gleich die Straße Bei der St. Johanniskirche zu sanieren. Dort, so die Begründung, hätten sich Spurrillen gebildet, die dringend beseitigt werden müssten. Nach gut vier Wochen waren die Arbeiten Ende Juli beendet, nur: die Spurrillen sind immer noch da. Lediglich dort, wo künftig der umstrittene Fahrradring verlaufen soll, wurde gearbeitet. Wurde hier etwa getrickst? Das Rathaus weist das zurück.

Als besonders störend sind die Spurrillen in der Straße neben St. Johannis bislang wohl nur den Wenigsten aufgefallen. Kein Wunder, schließlich fahren hier nur Busse und Taxen und wegen der Fußgängerzone auch nur mit gedrosseltem Tempo. Die Stadtverwaltung sah dennoch Handlungsbedarf und ging ans Werk.

◼︎ Nur 30 Meter "saniert"

Inzwischen aber zeigt sich, dass lediglich das östliche Ende der Straße, dort wo sie in die Altenbrückertorstraße übergeht, in Angriff genommen wurde. Der Großteil, knapp einhundert Meter, wurde nicht angefasst. Hinzu kommt, dass im sanierten Teil das bisherige Natursteinpflaster gegen ein Betonsteinpflaster ausgetauscht und die Straßenführung geändert wurde. Diese lenkt den Verkehr von der Altenbrückertorstraße jetzt in die Kalandstraße und mittelbar weiter zur Haagestraße, dorthin also, wo die Stadtverwaltung bereits eine Fahrradstraße eingerichtet hat. Und: Zur Unterstützung dieser neuen Verkehrsführung wurde auch eine bestehende Verkehrsinsel versetzt sowie eine zweite installiert und damit die Fußgängerzone in Richtung Sande verkürzt.

Damit aber scheint bei genauerer Betrachtung aus einer schlichten Spurrillenbeseitigung die Errichtung eines weiteres Teilstücks des umstrittenen Lüneburger Fahrradrings geworden zu sein – ein Projekt, das vom Rathaus bekanntlich intensiv vorangetrieben wird. Wurde also die Beseitigung von Spurrillen nur vorgegeben?

LGheute fragte bei der Stadtverwaltung nach. Die Pressestelle reagierte prompt, sprach von "Unterstellung", die man "entschieden zurückweist". Als Beleg wurde eine Pressemitteilung der Stadt vom 10. Juli beigefügt, in der die Dringlichkeit der Beseitigung der Spurrillen hervorgehoben wurde und die "auch Verbesserungen für Fußgänger und den ÖPNV" bringen werde. Auf den Fahrradring wurde nur nebenbei und ganz am Schluss eingegangen, indem auf den Austausch des Pflasters gegen ein "besser berollbares Betonsteinpflaster" hingewiesen wurde.

◼︎ Zweifel im Mobilitätsausschuss

Erstaunlich ist, dass davon in der Sitzung des Mobilitätsausschusses am 5. Juni, also rund fünf Wochen zuvor, nichts zu hören war. In der Sitzung, in der ausführlich über die geplante Sperrung des Platzes Am Sande für Busse gesprochen wurde, erwähnte Verkehrsdezernent Markus Moßmann nur am Rande, dass die Zeit genutzt werden soll, die Spurrillen an der St. Johanniskirche zu beseitigen. Vom Ausbau des Fahrradrings war nicht die Rede. Auch in dem inzwischen vorgelegten Sitzungs-Protokoll ist davon nichts zu finden.

Zweifel an den Darstellungen der Stadtverwaltung waren im Mobilitätsausschuss dennoch aufgekommen. Weil FDP-Ratsmitglied Cornelius Grimm in der angekündigten Spurrillenbeseitigung eine "versteckte Maßnahme" zur Erweiterung des Fahrradrings vermutete, hatte er in der Sitzung Lüneburgs Straßenbau-Verantwortliche Uta Hesebeck damit konfrontiert. "Frau Hesebeck hat dies verneint und lediglich von Reparaturmaßnahmen gesprochen", ließ Grimm auf Nachfrage wissen. 

Der Vorsitzende des Lüneburger Bauausschusses, Jens-Peter Schultz (SPD), zeigt sich bei dem Thema wiederum ahnunglos. Er könne sich auch nicht mehr so genau daran erinnern, ob das in seinem Ausschuss zur Sprache kam. Ihm sei aber schon im Vorfeld klar gewesen, "dass dies die logische Fortführung des Fahrradrings" bedeute. Ein fragwürdiges Vorgehen der Stadtverwaltung könne er nicht erkennen.

Bauausschussmitglied Jörg Kohlstedt (SPD) hat da offenbar ein besseres Erinnerungsvermögen: "Die Sanierung der Straße war nie Thema im Bauausschuss." Kohlstedt, der auch Mitglied im Mobilitätsausschuss ist und die Diskussion um Sperrung des Sande kritisch begleitet hat, steht der Stadtverwaltung ohnehin kritisch gegenüber: "Bei den Vorlagen der Verwaltung empfiehlt es sich, immer sehr genau hinschauen." Von blindem Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung halte er nichts.

◼︎ Geld kam aus dem Budget für den Fahrradring

Warum nur dieser Bereich von der Stadtverwaltung in Angriff genommen, begründet das Rathaus damit, dass die Spurrillen dort am stärksten ausgeprägt gewesen seien. Weil dort jetzt saniert wurde, würden die weiterhin vorhandenen Spurrillen von der Kalandstraße in Richtung Sande nun besonders ins Auge stechen. Deren Beseitigung sei aber zur Zeit nicht geplant. "Wenn sie sich weiter vertiefen, werden sie bei Bedarf saniert", so die Pressestelle.

Einen Hinweis, dass die Stadtverwaltung hier anscheinend doch den Ausbau des Fahrradrings im Blick hatte, gibt das Rathaus sogar selbst. Zu den Kosten der Maßnahme befragt, teilt die Pressestelle mit: "Finanzieren konnte die Stadt die Maßnahme 2024 nur deshalb, da es sich um eine Fortsetzungsmaßnahme des Fahrradrings Wallstraße / Haagestraße gehandelt hat und damit Geld im Haushalt eingestellt war." Kosten: 125.000 Euro.

 

 

 

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