Wer hat künftig das Sagen im Rat? Eine Mehrheitsgruppe scheint bislang nicht in Sicht
Lüneburg, 25.10.2021 - Wer geht mit wem? Diese auf Schulhöfen und Partys viel gestellte Pärchenfrage hat nun auch den Lüneburger Stadtrat erreicht. Beäugend und beschnuppernd sind die Fraktionen dort in diesen Tagen unterwegs auf der Suche nach einem Partner, der zur Erfüllung ihrer kühnsten Wünsche beitragen könnte – zumindest vorübergehend. Zwei haben sich jetzt gefunden. Das aber war es wohl vorerst auch.
Die Fraktion der Linken und die neu in den Stadtrat einziehende Partei "Die Partei" haben beschlossen, eine gemeinsame Stadtratsfraktion mit dem Namen "Gruppe Die PARTEI/DIE LINKE." zu bilden. Das gab die Linken-Fraktion am Vormittag bekannt. Die Entscheidung dazu sei nach Gesprächen zwischen den Stadtrats-Mandatsträgern der beiden Parteien und Rücksprachen mit den jeweiligen Kreisverbänden bereits am Donnerstag gefallen.
Zur Gruppenvorsitzenden wurde die frisch gekürte Fraktionsvorsitzende der Linken, Vivienne Widawski, bestimmt. Sie sagt zu der neuen Gruppenbildung: "Ausschlaggebend für die Gruppenbildung waren vor allem inhaltliche Überschneidungen in den Bereichen Bildung, Klima, Verkehr und Umverteilung." Lukas Bieber, stellvertretender Gruppenvorsitzender und Mitglied von "Die Partei", ergänzt: "Uns eint auch, dass wir die Ratspolitik durch Nutzung sozialer Medien zugänglicher und leichter verständlich und veraltete Strukturen in diesem aufbrechen wollen."
Beide erklärten, eine "repräsentative und selbstkritische Arbeitsweise im Rat zu etablieren, die effektiv und konstruktiv, zugleich aber reflektiert an der Entwicklung der Hansestadt Lüneburg mitwirkt".
◼︎ Grüne halten sich bedeckt
Eine weitere Gruppenbildung wird es vorerst wohl nicht geben, wie aus den Fraktionen zu vernehmen ist. Dazu trägt vor allem die abwartende Haltung der Grünen bei, die bei der Kommunalwahl stärkste Fraktion im Lüneburger Stadtrat geworden ist.
Dazu Ulrich Blanck, Fraktionschef der Grünen: "Nach dem derzeitigen Stand der Gespräche mit den anderen Fraktionen und Blick auf den näherkommenden Termin gehe ich derzeit nicht davon aus, dass es bis zur ersten Sitzung des Rates eine Gruppe unter Beteiligung von Bündnis 90/Die Grünen geben wird, auch wenn wir weiterhin mit verschiedenen Parteien in Gesprächen sind."
Wer denn Wunschpartner der Grünen der inzwischen acht im Rat vertretenen Parteien sei, dazu wollte Blanck sich nicht äußern: "Sofern ich einen Lieblingsgruppenpartner hätte, würde ich glauben, dass es nicht sonderlich hilfreich wäre, dieses zu kommunizieren, während die Gespräch dazu noch nicht abgeschlossen sind."
◼︎ Politik auch ohne Gruppenbildung möglich
Doch bei den für die Grünen noch in Frage kommenden Gruppenpartnern SPD, CDU und FDP scheint das Thema Gruppenbildung auf keine allzu große Gegenliebe zu stoßen, wie zu hören ist. Danach bliebe, wenn es zu einer Mehrheitsgruppe nicht mehr kommen sollte, nur noch das Prinzip der wechselnden Mehrheiten. Dabei muss sich jede Fraktion für Anträge, die sie in den Rat einbringen will, um eine jeweilige Themen-Mehrheit bemühen. Die FDP hat diesen Weg bereits als ihren Favorit bekanntgegeben.
◼︎ Ärgerlich für neue Oberbürgermeisterin
Der neu gekürten Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne) dürfte das Ausbleiben einer von den Grünen angeführten Mehrheitsgruppe kaum ins Konzept passen. Denn auch sie müsste sich dann für ihre Projekte die Mehrheiten suchen, die sie ansonsten frei Haus bekäme. Die hochgesteckten Ziele, die sie im Wahlkampf versprochen hatte, dürften dann deutlich schwerer erreichbar sein – was wiederum den Druck auf Blanck erhöht, die lockenden Trauben für einen möglichen Gruppenpartner deutlich tiefer zu hängen.
◼︎ Rat konstituiert sich erst am 25. November
Wie inzwischen bekannt wurde, wurde den Fraktionen für ihre Partnersuche mehr Zeit eingeräumt. Denn anders als geplant wird der neu gewählte Rat der Hansestadt Lüneburg nicht am 4. November, sondern am Donnerstag, 25. November, das erste Mal zusammenkommen. Man sei damit dem Wunsch der Fraktionen nachgekommen, teilte die Stadtpressestelle mit.
In der konstituierenden Sitzung wird Lüneburgs designierte Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch vereidigt, die ihr Amt ab dem 1. November wahrnehmen wird. Außerdem werden Funktionen wie der Ratsvorsitz und die Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister der Hansestadt neu gewählt sowie Ausschüsse gebildet und personell besetzt. Die Ratssitzung wird im Zentralgebäude der Leuphana Universität stattfinden.