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Das Problem sind immer die anderen

Der Vorgang um die Neueinstellung der Sozialdezernentin zeigt Defizite der Oberbürgermeisterin auf

Im Lüneburger Rathaus - hier der Trakt mit den Amtsstuben der Oberbürgermeisterin - werden Fehler zur Zeit lieber außerhalb der eigenen Mauern verortet. Foto: LGheute25.03.2025 - Eine Politposse besonderer Art spielt sich dieser Tage in Lüneburg ab. Im Mittelpunkt: Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne). Vordergründig geht es um angebliche Indiskretionen bei der Neubesetzung der Dezernentenstelle für Bildung, Jugend und Soziales in der Stadtverwaltung. Im Kern aber zeigt es das Bild einer Oberbürgermeisterin, die zwar gern von Transparenz spricht, dann aber scheitert, wenn sie diese selbst einlösen muss. 

Die Oberbürgermeisterin hatte vor einer guten Woche im kleinen Kreis mit Vertretern der Ratsfraktionen und Mitarbeitern der Verwaltung die Hamburgerin Gabriele Scholz als ihre Favoritin für die vakante Dezernentenstelle vorgeschlagen – noch bevor dies wie eigentlich üblich im Verwaltungsausschuss geschah. Bei diesem Treffen wurde ein personalrechtliches Problem der Kandidatin aus dem Jahr 2023 bekannt, das laut Medienberichten derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht Hamburg ist. Dabei soll es um die Einschaltung des Verfassungsschutzes durch Gabriele Scholz als Leiterin des Hamburger Landesjugendamts gegangen sein, um mögliche linksextremistische Akteure ausfindig zu machen – ein Vorgang, der in der Elbestadt nicht gut ankam und zu disziplinarrechtlichen Schritten führte. 

In Lüneburg hatte man indes gehofft, diese Details der Öffentlichkeit vorenthalten zu können. Anders ist die Empörung nicht zu erklären, mit der Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch in der jüngsten Ratssitzung auf einen Bericht des Online-Mediums "Lüneburg aktuell" reagierte. Dort war über die pikante Personalie berichtet worden, auch gab es eine Äußerung, die auf ein mögliches Leck aus dem Kreis der Informanten schließen ließ.

Was aber erfahrene Politiker zwar verstimmt, diese aber mit professioneller Gelassenheit hinnehmen – dass nämlich Informationen, auch wenn sie noch so vertraulich sind, vor Weitergabe an die Medien nie wirklich geschützt sind –, führte bei Kalisch zu einer peinlichen Überreaktion. Sie forderte von den Vorsitzenden derjenigen Ratsfraktionen, die mit einem Vertreter bei dem Vorab-Treffen anwesend waren, eine schriftliche Erklärung darüber, dass sie nichts aus dem Treffen preisgegeben haben – was bis auf die SPD von den anderen Fraktionen auch artig geleistet wurde.

Doch Kalisch legte noch eins drauf: Sie forderte, dass dasjenige Ratsmitglied, das geplaudert haben soll, sein Ratsmandat niederlegen soll. Das ist nicht nur fehlender Respekt vor dem Rat als dem Gremium, das die Verwaltung kontrolliert, es ist auch eine Missachtung des Souveräns, also dem Wähler, der allein das Mandat erteilt oder entzieht. 

◼︎ Fragwürdiges Agieren im Rathaus

Dieser Vorgang ist bemerkenswert, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Zum einen offenbart er das Gebaren einer Oberbürgermeisterin, die sich anmaßt, dem Rat eine schriftliche Erklärung abverlangen und damit die in der Kommunalverfassung festgelegte Hierarchie der Gremien umkehren zu können. Zum anderen präsentiert er einen Rat, der dieses Verhalten – zumindest in Teilen – akzeptiert und kuscht.

Ein weiterer Punkt ist die Unprofessionalität des Rathauses im Umgang mit den Medien, zumindest denen, die der Verwaltung nicht nach dem Mund schreiben. Denn es gehört nicht nur zum journalistischen Auftrag, kritische Fragen zu stellen, sondern auch zum Tagesgeschäft, Informanten ausfindig zu machen und gesprächsbereite Quellen anzuzapfen. Nur so dringen Informationen an die Öffentlichkeit und werden Vorgänge ans Tageslicht gefördert, die ansonsten im Dunklen bleiben. 

In Lüneburg, das haben nicht zuletzt die Personal-Neueinstellungen gezeigt, scheint es eine Rathaus-Führung zu geben, die zwar gern das Hohelied der Transparenz flötet, insgeheim aber Hinterzimmer-Gekungel praktiziert und empört reagiert, wenn sie dabei ertappt wird. Auf Dauer wird Oberbürgermeisterin Kalisch mit ihrer Methode, stets auf diejenigen einzudreschen, die die Fehler des Rathauses publik machen, daher auch keinen Erfolg haben.

 

 

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