Kleine Fraktionen im Rat sind deutlich benachteiligt – FDP fordert endlich Änderungen
Lüneburg, 29.08.2024 - Die Zeiten, da drei Parteien in einem Parlament oder einer Gemeindevertretung ausreichten, den Willen des Volkes zu repräsentieren, sind lange vorbei. Allein im Rat der Stadt Lüneburg sind heute mit den Grünen (15 Sitze), SPD (11), CDU (8), FDP (3), Die Linke (3), AfD (2), Die Basis (1) und Die Partei (1) acht Parteien im Rat vertreten. Daraus sind fünf Fraktionen, eine Gruppe und ein fraktionsloses Mitglied entstanden. Jeder von ihnen darf im Rat sprechen, Anträge stellen und sich an Abstimmungen beteiligen, wie es demokratische Sitte ist. Doch so richtig repräsentativ geht es bei genauem Hinsehen doch nicht zu. Kleinere Fraktionen werden nämlich deutlich benachteiligt – mit zum Teil erheblichen Auswirkungen. Die FDP-Fraktion fordert deshalb Korrekturen, und zwar von Hannover.
Vieles, was im Rat der Stadt beschlossen wird, war zuvor in einem Ausschuss. Einundzwanzig gibt es davon in Lüneburg, vom Verwaltungsausschuss bis zum Stiftungsausschuss ist nahezu jedes Thema vertreten. Dort werden Ideen für ein neues Projekt präsentiert, Experten und Verwaltung angehört, Für und Wider diskutiert und Empfehlungen für die große Runde im Rat abgegeben. Wenn alles vorbereitet ist und Einigkeit im Ausschuss hergestellt wurde, heißt es dann: Der Ausschuss empfiehlt, häufig mit dem Zusatz: einstimmig.
Doch das trifft nicht immer zu. Grund ist die Art und Weise, wie die Ausschüsse zusammengesetzt werden. Vorgabe ist hier die Größe einer Fraktion oder Gruppe; große Fraktionen können mehr Mitglieder in einen Ausschuss entsenden, kleine weniger. So sollen auch in den Ausschüssen die Stimmenverhältnisse gewahrt bleiben. Festgelegt wird dies nach einer vorgegebenen Methode, in Niedersachsen wird das d'Hondt-Verfahren genutzt.
◼︎ Die Großen profitieren zu Lasten der Kleinen
Und genau darin sieht die FDP ein Problem. Denn das Verfahren bevorzugt anders als andere Auszählungsverfahren große Fraktionen zulasten der kleineren. Am Beispiel der Besetzung des Bauausschusses, in den in Lüneburg zehn Mitglieder entsandt werden können, wird dies deutlich: Hier ist die Fraktion der Grünen mit vier Mitgliedern vertreten, die SPD mit drei, CDU mit zwei und die Gruppe Die Linke/Die Partei mit einem Mitglied. FDP und AfD gehen leer aus, sie sind lediglich mit einem Grundmandat vertreten, dürfen mitdiskutieren, aber nicht mit abstimmen. Der Vertreter von Die Basis hat nicht einmal auf ein Grundmandat Anspruch.
Für den Lüneburger FDP-Fraktionsvorsitzenden Frank Soldan ist das nicht nur eine Benachteiligung der kleineren Fraktionen, es spiegelt auch die tatsächlichen Verhältnisse nicht korrekt ab: "Dies führt dazu, dass die Ausschüsse nicht repräsentativ für den Rat sind und das Meinungsbild verzerrt wird. Wie oft wurde uns – gerade von der Verwaltung – bei Abstimmungen im Rat vorgehalten, dass die Ausschüsse ja einstimmig entschieden hätten. Wenn kleinere Fraktionen dort kein Stimmrecht haben, ist das kein Wunder."
◼︎ Übermacht im Verwaltungsausschuss
Noch krasser zeigt sich die Schwäche des gegenwärtigen Auszählverfahrens beim Blick auf den Verwaltungsausschuss, dem neben dem Rat wichtigsten Gremium der Stadt, in dem auch der Rathauschef, in diesem Fall Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne), Stimmrecht hat. Laut Soldan führt dies zu einer Übergewichtung der größten Fraktion im Rat, den Grünen: "Obwohl sie bei der Kommunalwahl nur ein Drittel der Sitze im Rat erhielten, haben sie zusammen mit der Oberbürgermeisterin im Verwaltungsausschuss fast die Hälfte der Stimmen."
Dass es auch anders ginge, zeigt der Blick auf ein anderes Auszählverfahren, die Methode nach Hare-Niemeyer. Hier hätte sich die Sitzverteilung im Bauausschuss zugunsten der FDP verschoben, die Grünen hätten einen Platz abgeben müssen: Grüne 3, SPD 3, CDU 3, Gruppe Die Linke/Die Partei 1 und FDP 1.
◼︎ Appell an den Landtag in Hannover
Welches Verfahren angewendet wird, entscheidet der Landtag in Hannover nach Maßgabe der jeweiligen Landesregierung, gegenwärtig Rot-Grün. Weil dort derzeit eine Reform des Kommunalverfassungsgesetzes vorbereitet wird, in dem das jeweilige Verfahren festgelegt ist, fordert die FDP Lüneburg "ein neues, gerechteres Auszählverfahren, das die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt und die demokratische Kultur stärkt". Sie unterstützt damit auch die Position der FDP Niedersachsen. Deren Vorsitzender Konstantin Kuhle kritisiert, dass die rot-grüne Landesregierung die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abkehr vom d'Hondt-Verfahren nicht umgesetzt hat. Er fordert daher, dass ohne ein neues Auszählverfahren das Gesetz nicht vom Landtag beschlossen werden dürfe.