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Zeichen der Ohnmacht

04.03.2022 - Ein Zeichen gegen den Krieg, ein Zeichen für den Frieden, ein Zeichen gegen die Umweltzerstörung, ein Zeichen für den Klimaschutz, ein Zeichen der Solidarität, ein Zeichen gegen Armut, ein Zeichen gegen Kindesmissbrauch, ein Zeichen gegen den Hunger, ein Zeichen gegen die Energieverschwendung, ein Zeichen für Gleichberechtigung – die Fülle der Zeichen, die viele in letzter Zeit meinen setzen zu müssen, ist beeindruckend, oder doch eher bedrückend. Für jedes von ihnen gibt es einen Anlass. Und doch bleibt die Frage, wem sie helfen.

Man sei "betroffen", ist häufig von denen zu hören, die sich aufgemacht haben, ein Zeichen zu setzen. Gerade vor dem Hintergrund des brutalen Überfalls Russlands auf die Ukraine ist das allzu verständlich. Doch ist man wirklich persönlich betroffen? Einen konkreten Einfluss des Krieges auf das Leben hier in Deutschland gibt es nicht, jedenfalls noch nicht. Steigende Sprit- und Gaspreise können es beim Anblick der verheerenden Lage in der Ukraine wohl kaum sein.  

Was aber löst diese Betroffenheit aus, die so viele auf die Straße bringt? "Wir alle fühlen eine Ohnmacht", sagte der Schulleiter der Herderschule in Lüneburg, Thorsten Schnell, heute Vormittag, als die Schule für ein gemeinsames "Zeichen setzen" auf dem Schulhof zusammenkam. Damit hat er vermutlich auf den Punkt gebracht, worum es bei dem inzwischen schon ritualhaften Reflex des Zeichen-Setzens geht: die eigene Betroffenheit. 

Dass ein Krieg, noch dazu einer, der quasi vor unserer Haustür stattfindet, Ängste auslöst, die verarbeitet werden wollen, ist nachvollziehbar. Doch sollte man dabei ehrlich bleiben: Das inflationäre Zeichen-Setzen wird den Ukrainern nicht helfen, dort allenfalls zur Kenntnis genommen. Für die Menschen hier ist es ein kollektives Ventil, um mit den eigenen Gefühlen zurecht zu kommen. Das ist nicht nichts, aber eben auch nicht mehr. 

Eines sollte mit dem Zeichen-Setzen auf jeden Fall aber unterbleiben: die Instrumentalisierung dieser Veranstaltungen durch die Politik. Dass Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) den Schulleitungen heute öffentlichkeitswirksam nahelegte, die Teilnahme von Schülern an Ukraine-Demonstrationen oder Friedenskundgebungen nicht als "Schulpflichtverletzung" zu vermerken, ist bedenklich. 

Ein Kommentar von Ulf Stüwe

 

 

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