08.02.2022 - Es ist bemerkenswert, was sich in diesen Tagen im Zusammenhang mit den montäglich in Lüneburg stattfindenden Corona-Demonstrationen abspielt. Weniger die Demonstrationen an sich sorgen dabei für Verwunderung, vielmehr sind es die Begleittöne von höchster Stelle, die seit wenigen Tagen um das Geschehen am Lambertiplatz herum zu hören sind. Nach Lüneburgs Oberbürgermeisterin hat nun auch die evangelische Kirche das Wort ergriffen. Sie sieht sich aufgerufen, schlichtend auf die Meinungs-Kontrahenten einzuwirken. Das ist an sich zwar nicht verwerflich, wäre da nicht ein Problem: Die evangelische Kirche selbst hat sich auf eine Seite der beiden Lager geschlagen.
Wer als glaubwürdiger Vermittler auftreten will, sollte nicht selbst Teil des Konflikts sein. Das gilt bei Tarifverhandlungen ebenso wie bei politischen Auseinandersetzungen. Die USA als neutraler Vermittler im Ukraine-Konflikt? No chance.
Lüneburgs Superintendentin Christine Schmid scheint mit derlei Selbstverständlichkeiten noch nicht vertraut zu sein. Anders lässt es sich nicht erklären, warum ausgerechnet ihr Kirchenkreis, der sich klar auf Seite der Gegen-Demonstranten verortet hat, die Plattform für einen kontroversen Austausch abgeben sollte. Bei einem Ehekonflikt will man ja schließlich auch nicht den gegnerischen Anwalt als Moderator am Tisch haben.
Die evangelische Kirche kümmert das offenbar nicht. Sie liebt es, Position zu beziehen und sich gleichzeitig als überparteiliche Konflikt-Instanz in Szene zu setzen – indem sie den Mainstream beim Schopf packt und sich diesen auf ihr eigenes Haupt setzt. Das war schon bei der Atomkraft-Auseinandersetzung so, das gilt jetzt auch bei den Lüneburger Corona-Demos.
Wer aber beides, noch dazu Gegensätzliches will, wird letztlich an beidem scheitern. Die Kirche sollte sich daher entscheiden: Entweder-oder.
Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Kirche ruft zum Austausch auf"