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"Das ist keine Kaffeestube"

LGheute im Gespräch mit Ulrich Mädge über Aufgaben und Verantwortung als Oberbürgermeister von Lüneburg

Ulrich Mädge in seinem Amtszimmer im Lüneburger Rathaus. Foto: LGheuteLüneburg, 31.08.2021 - Spätestens am 26. September steht fest, wer Ulrich Mädge im Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Lüneburg folgen wird. Angetreten sind acht Kandidaten, die unterschiedlicher nicht sein können: Verwaltungserfahrene ebenso wie aktuelle oder frühere Ratsmitglieder oder schlichtweg Personen, die Lüneburg auch gern mal regieren möchten. Im Gespräch mit LGheute erläutert der Noch-Amtsinhaber, was es heißt, als Oberbürgermeister Verantwortung für Lüneburg zu tragen. 

Herr Mädge, Sie sind frisch erholt aus dem Urlaub zurück und würden sich doch jetzt sicher gern mit in den Lüneburger OB-Wahlkampf stürzen. Nur: Sie dürfen nicht mehr. Wie schwer fällt Ihnen das?

Mädge: Ich darf schon in bestimmten Bereichen, aber es ist Tradition, dass man sich eher raushält, und das versuche ich auch. Aber natürlich fällt mir zu manchem Plakatfoto einiges ein.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel die Frage, wer wird mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin für diese Stadt und welche Vorstellungen haben manche Leute von einem Unternehmen mit insgesamt 5000 Mitarbeitern und 700 bis 800 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Das ist keine Kaffeestube.

Was muss ein Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin für Lüneburg denn mitbringen?

Die erste Frage ist: Was braucht man fachlich? Mindestens ein Verwaltungs-, Jura-, Wirtschafts- oder Sozialwissenschaftsstudium – oder man war als Dezernent beziehungsweise Dezernentin in einer Stadt von der Größenordnung der Hansestadt Lüneburg tätig. Wenn man nicht mindestens das Wissen eines Abteilungsleiters oder einer Abteilungsleiterin hier hat und mit ihnen auf Augenhöhe diskutieren kann, werden Sie nicht akzeptiert.

Wo sind die Fallstricke?

Letztlich müssen Sie als Oberbürgermeister die Ratsvorlagen verantworten. Jüngstes Beispiel: das PPP-Verfahren für die vier Sporthallen, die jetzt gebaut werden sollen: Da muss ich wissen, worum es genau geht. Denn es legt nicht nur der wirtschaftliche Gutachter seine Zahlen vor, auch die Juristen geben eine Bewertung ab. Diese Informationen muss ich bewerten. Denn am Ende hafte ich als OB auch bei Gremienbeschlüssen. Da kann dann auch schon mal der Staatsanwalt vor der Tür stehen. Verantwortlich sind Sie als Oberbürgermeister, nicht der Rat.

Wie vermeidet man das?

Man muss Einspruch einlegen, wenn erkennbar wird, dass möglicherweise gegen Gesetze verstoßen wird. Das heißt aber: Man muss sich mit der Materie auskennen. Letzteres gilt im Übrigen auch, wenn man mit den Geschäftsführern städtischer Unternehmen wie der Gesundheitsholding oder anderen hier in Lüneburg spricht. Wenn Sie in diesen Runden nicht mit Argumenten und Sachkenntnis überzeugen können, werden Sie sehr schnell nicht mehr ernst genommen.

Wo haben Sie denn mal Bauchschmerzen gehabt?

Mir fällt da jetzt kein Beispiel ein, aber natürlich hat man auch Bedenken. Ich habe aber auch gute Leute um mich. Ich liebe es, mit ihnen hier zu sitzen und Fachdiskussionen zu führen und letztlich dann aber die Entscheidung zu treffen. In solchen Momenten ist man dann schon mal ziemlich einsam.

Sie sind Diplom-Verwaltungswirt und haben vor Ihrem OB-Amt elf Jahre im gehobenen Dienst beim Landkreis Lüneburg gearbeitet. Ist dies die Mindestanforderung für einen Oberbürgermeister?

Ich will das mal am Haushalt der Stadt Lüneburg deutlich machen. Zunächst bekommen Sie einen ersten Entwurf auf den Tisch, der in der Regel ein Defizit von 20 bis 30 Millionen Euro aufweist. Ich schaue mir dann an, was davon umsetzbar ist, um letztlich auf eine genehmigungsfähige Größe zu kommen. Dazu müssen Sie Haushaltsrecht kennen, es reicht nicht allein zu wissen, was ein Finanzhaushalt ist. Meine Schwerpunkte im Studium mit zwölf Fächern waren Haushaltsrecht und Baurecht.

Nun werden nur wenige der acht Kandidaten, die jetzt Ihre Nachfolge antreten wollen, Voraussetzungen wie diese mitbringen.

Man kann sich sicher vieles aneignen, aber wenn Sie keinerlei Grundlage haben, scheitern Sie. Oder Entscheidungsprozesse werden so verlangsamt, dass Ihre Stadt im Wettbewerb mit anderen Städten nicht vorankommt. Eine Folge kann sein, dass Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren.

Das sind keine ermutigenden Worte.

Wie gesagt, man kann sich manches aneignen. Aber jede und jeder, die oder der jetzt ins Amt gewählt wird, hat bis zur nächsten Wahl nur fünf Jahre Zeit. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier im Haus erwarten, dass es ohne Ruckeln weitergeht. Nebenbei: Gute Mitarbeitende werden überall händeringend gesucht. Erst kürzlich sagte mir eine Oberbürgermeisterin: Wenn Deine Leute weg wollen, sag Bescheid, sie können bei mir anfangen.

Wollen Sie Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin Angst machen?

Nein, aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt, wenn man für dieses Amt kandidiert. Es ist nicht mehr wie früher, als es noch den Oberstadtdirektor gab und es reichte, als ehrenamtlicher OB die Amtskette umzuhängen, Wein auszugeben und ein paar warme Worte zu sagen.
Noch etwas: Wer nicht über ein gutes Netzwerk in die Landesregierung oder zu den Gremien von wichtigen Institutionen verfügt, steht – wenn es um wichtige Informationen geht – hinten an.

Wie erklären Sie sich dann, dass einige der acht Kandidaten offenbar glauben, Oberbürgermeister zu sein kann so schwer nicht sein?

Zum einen gibt es immer Kandidaten, die sich interessant machen wollen. Zum anderen ist es aber sicher auch Selbstüberschätzung. Wie auch immer: Jeder, der jetzt antritt, braucht bestimmt zehn Jahre, um sich alle nötigen Strukturen aufzubauen und nachhaltig etwas bewirken zu können.

Was raten Sie denn den acht Kandidaten?

Jeder muss sich erstmal selbst prüfen. Denn: Wenn man erst hier sitzt, ist es dafür zu spät. Zeit für Fortbildungen gibt es dann bei dem Arbeitspensum nicht mehr. Letztlich ist jeder aber seines Glückes Schmied.

 

 

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