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Heiße Luft für eine Trambahn

Leuphana-Studenten kündigen vollmundig Straßenbahn-Konzept für Lüneburg an – Viele Fragen offen

Man sollte nicht alles glauben, was auf Plakaten steht. Foto: Verkehrs-AktivistenLüneburg, 05.05.2024 - Dass Studenten viele Ideen haben und diese auch gern umgesetzt wissen möchten, gehört zu ihrem Wesen. Dass die allermeisten Ideen den harten Sprung in die Realität nicht schaffen, überrascht gleichwohl nicht, schließlich sind Studenten ja Studenten und keine Wissenschaftler. Von vielen dieser Ideen, gern auch als Projekte tituliert, hört man nach anfänglichem, medienwirksamem Aktivismus im weiteren Verlauf daher auch nichts mehr – was für die meisten Projekte kein Nachteil sein muss. Ähnlich dürfte es einer neuen Idee aus dem Ideenparadies Leuphana ergehen: hier wurde jüngst eine Straßenbahn für Lüneburg kreiert.

Drei Linien sollen sich durch Lüneburg ziehen, eine gelbe, eine rote und eine blaue. Die gelbe führt vom Bockelsberg zum Kreideberg, die rote von Dachtmissen nach Wendisch Evern und die blaue von Adendorf nach Oedeme. Die Straßenbahnen sollen kostenlos fahren, um "Mobilität für alle zu ermöglichen", wie die Studentengruppe, die sich "Verkehrswende-Aktive" nennt und unter "Mobilitätswende Initiative" an der Leuphana angemeldet ist, fordert.

Einen Namen haben sie sich dafür auch schon ausgedacht, "Lünebahn" soll das neue Verkehrswesen heißen, von dem sich die Studenten einiges versprechen. "Die Straßenbahn ist komfortabel für zu Fuß Gehende und barrierearm. Sie kann mehr Menschen bewegen als Autos und Busse und ist einfacher sowie deutlich kostengünstiger einzurichten und zu betreiben als U- und S-Bahnen. Zudem ist es möglich, das Straßenbahngleisnetz in der Stadt mit den Eisenbahnlinien der Umgebung zu verknüpfen", behauptet eine Straßenbahn-Aktivistin, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte.

◼︎ Im Zehnminuten-Takt vom Bockelsberg zum Kreideberg

Auf den ersten Blick klingt das alles sehr überzeugend. Das Problem ist nur: stimmt das auch? Belege für ihre Behauptungen liefern die Studenten jedenfalls nicht. Und Zweifel sind angebracht. Denn warum sollte eine Straßenbahn komfortabler und barrierefreier sein als die in Lüneburg fahrenden Busse? Und warum sollte sie "einfacher und deutlich kostengünstiger" einzurichten und zu betreiben sein als U- oder S-Bahnen? Soweit bekannt ist, gibt es in Lüneburg weder U- noch S-Bahn, geplant sind sie hier auch nicht. 

Und braucht es für Straßenbahnen nicht Schienen und Oberleitungen, die verlegt und instandgehalten werden müssen? Was sagt eigentlich der Denkmalschutz dazu, wenn über den mittelalterlichen Platz am Sande künftig Züge zuckeln? Und wie bitte sollen sich schmalspurige Straßenbahnlinien mit den Eisenbahnlinien der Umgebung verknüpfen? Oder meint man es womöglich anders? Es sind viele Fragen offen. Auch, wieviele Züge die Stadt braucht, wenn allein die gelbe Linie wie vorgesehen im Zehnminuten-Takt verkehren soll. 

◼︎ Günstig, weil viele kostenlos damit fahren?

Damit wären wir bei den Kosten. Hierzu gibt es immerhin eine Antwort: "Die Einsparung durch einen Wechsel vieler Menschen vom Auto auf Rad und ÖPNV ist höher als die Kosten des fahrscheinlosen Fahrens." Richtig verstanden heißt es also: Je mehr Menschen kostenlos fahren, desto geringer sind die Kosten. Darauf muss man erstmal kommen.

Vielleicht ist es auch zuviel verlangt und nicht fair, Fragen zu stellen. Schließlich berufen sich die Studenten auf Heiner Monheim. Er lehrte bis 2011 als Professor für Angewandte Geographie, Landesplanung und Raumentwicklung an der Uni Trier und bezeichnet sich selbst als "Grenz-Gänger zwischen Wissenschaft und Praxis". Zumindest den wissenschaftlichen Aspekt hätten die Leuphana-Straßenbahn-Aktivisten durchaus stärker betonen dürfen, bevor sie sich mit ihrem Projekt an die Medien wandten. Aber von Letzteren gibt es ja bekanntlich immer mehr, die vieles unhinterfragt übernehmen. 

◼︎ Nur 'ne PR-Aktion

Ach ja: Die Aktion ist mit der Forderung nach einer Machbarkeitsstudie für eine Straßenbahn in Lüneburg verbunden, die in der Kosten-Nutzen-Untersuchung auch die Klimafolgen sowie gesellschaftliche Kosten und Nutzen mit einbeziehen soll. Mit anderen Worten: Die Idee der "Lünebahn" ist zunächst nichts anderes als eine Werbe-Aktion zur Durchführung der Machbarkeitsstudie. Die aber kommt vor allem dem Lehrstuhl und den Studenten zugute. Unterm Strich bleibt damit nur: Es war PR in eigener Sache.