Lüneburgs OB gerät bei Millionenforderungen des Bundes unter Druck
Lüneburg, 30.05.2013 - In der Grundstückssache "Sportfläche Lüner Kaserne" droht Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge erheblicher Ärger. In der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag kündigten sowohl die CDU-Fraktion als auch die Fraktion der Linken an, die Vorgänge um die Nutzung des Grundstücks an der Lise-Meitner-Straße für die Lüneburger Feuerwehr prüfen zu lassen, selbst das Wort "Disziplinarverfahren" fiel mehrfach. Der Vorwurf: Der Oberbürgermeister habe entgegen vertraglicher Vereinbarungen das Grundstück nicht für sportliche Zwecke, sondern für den Neubau der Feuerwehr und der Feuerwehrwohnungen genutzt. Und: Er habe die Nutzungsänderung trotz mehrfacher warnender Hinweise aus der Verwaltung umgesetzt und damit erhebliche finanzielle Nachforderungen des Bundes in Millionenhöhe in Kauf genommen - ohne Zustimmung des Rates.
Der Vorgang wurde im Dezember vergangenen Jahres schon einmal im Rat diskutiert. Bereits damals wollte die CDU Licht in die Angelegenheit bringen und beantragte die Einsetzung eines Ermittlers. Doch gegen die Stimmen der Mehrheitsgruppe von SPD und Grünen, die den Antrag ablehnte, kam die CDU nicht an (LGheute berichtete).
Am Donnerstag nun kam die Sache erneut auf den Tisch, denn die Stadtverwaltung wollte sich die Zustimmung des Rates für weitere Zahlungen an den Bund einholen, nachdem bereits rund 920.000 nach Berlin geflossen sind. Konkret geht es um folgende Beträge: Zum einen um eine Nachzahlungsverpflichtung in Höhe von 342.356,80 Euro für das von der Stadt erworbene Grundstück, zum anderen um 516.697,20 Euro als Restforderung des Bundes. Letzteren Betrag will die Stadt noch nicht zahlen, hier will sie zunächst weiterverhandeln und erhielt dafür auch die Zustimmung des Rates. Der Zahlung der rund 342.000 Euro stimmte der Rat bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung ebenfalls zu.
■ Wer trägt die Verantwortung?
Doch damit war die Angelegenheit zumindest für die CDU und Linke im Rat noch nicht erledigt. Für sie steht die Frage im Raum: Wer trägt für den Schaden die Verantwortung? Beide Fraktionen hatten zwischenzeitlich Akteneinsicht genommen, und die daraus gewonnenen Kenntnisse führten am Donnerstag die beiden Fraktionschefs Eckhard Pols von der CDU und Michèl Pauly von den Linken gegen den Oberbürgermeister ins Feld. Beide werfen Mädge vor, das eigentlich nur für sportliche Zwecke erworbene Gelände für die Neuansiedlung der Feuerwehr genutzt zu haben, wohl wissend, dass dadurch auf die Stadt finanzielle Nachforderungen in Millionenhöhe zukommen, wie jetzt geschehen.
Michèl Pauly gab - gespickt mit vielen Fakten - den Takt vor: Nach Durchsicht der Akten sei klar, dass eine entsprechende Vorlage der Stadtverwaltung mehrfach auch auf dem Schreibtisch des Oberbürgermeisters gelandet sei, zweimal sogar mit dem klaren Hinweis "Vorsicht Kosten!", so Pauly. Der OB habe also nicht nur von den drohenden Zahlungen gewusst, sondern - weil er die Ansiedlung der Feuerwehr auf dem Gelände gewollt habe - mögliche vertragsrechtliche Konsequenzen und damit finanzielle Forderungen seitens des Bundes in Kauf genommen.
■ OB: "Vertrag selber nie gelesen"
Doch Mädge erklärte, den Inhalt des Vertrags selber gar nicht zu kennen. Auch die Unterschrift, die er geleistet habe, sei lediglich eine Vollmacht zur Vertragsunterschrift gewesen, er selber sei nicht für diesen Vorgang zuständig gewesen. Und entgegen Paulys Andeutungen sei dies auch nicht Andrea Schröder-Ehlers gewesen, versuchte Mädge die SPD-Landtagsabgordnete aus der Schusslinie zu nehmen. Doch dem widersprach Pauly: "Die Aktenlage ist hier eindeutig."
Zwar, so Mädge, trage er als Chef der Verwaltung die politische Verantwortung für den Vorgang, doch könne er einen Schaden für die Stadt nicht erkennen. "Wir haben hier ja nicht günstig Flächen gekauft und diese teuer weiterverkauft", sagte der OB. "Und wo hätte die Feuerwehr denn sonst angesiedelt werden sollen?" Im Übrigen sei der Vorgang in den zuständigen Ausschüssen behandelt worden, alles sei öffentlich und bekannt gewesen. Und Mädge fügte hinzu: "Der Rat hätte sich doch letztlich ohnehin nicht gegen die Ansiedlung der Feuerwehr auf dem Gelände ausgesprochen."
Schützenhilfe bekam Mädge vom SPD-Fraktionschef Heiko Dörbaum. Er wies darauf hin, dass gegenüber der ursprünglichen Forderung des Bundes in Höhe von 2,2 Millionen Euro jetzt nur noch knapp die Hälfte der Kosten zur Diskussion stünde. "Der Oberbürgermeister hat also Schaden von der Stadt abgewendet", so Dörbaum. Noch einen Schritt weiter ging sein Fraktionskollege Eugen Srugis. Er konstatierte, dass sogar ein Gewinn für die Stadt entstanden sein könnte, da jetzt womöglich weniger zu zahlen sei als bei vertragskonformer Abwicklung. Und Eckhard Neubauer versuchte, das Problem auf die Formel "Feuerwehr oder keine Nachforderung" zu reduzieren. "Wir haben für gutes Geld gutes Gelände bekommen", so Neubauer.
■ CDU: "Fordern unabhängigen Ermittler"
Doch das alles zog bei der CDU nicht. "Ich nehme Ihnen nicht ab, dass keiner in der Verwaltung den Vertrag eingesehen hat", sagte Pols. Nach seiner Kenntnis habe zumindest Andrea Schröder-Ehlers, die damals bei der Stadt für die Feuerwehr zuständig war, von den Risiken gewusst. Und dass der Oberbürgermeister von nichts gewusst haben will, glaube er auch nicht: "Nichts geht ohne Ihre Kenntnis rein oder raus aus dem Rathaus." Hingegen sei der Rat als zuständiges Gremium nicht über die Vertragskonditionen aufgeklärt, dafür aber über wesentliche Punkte im Unklaren gelassen worden.
"Warum sind Sie nicht vorher an den Bund herangetreten, um die Angelegenheit zu klären?", fragte Pols in Richtung OB. So aber sei der Stadt erheblicher Schaden entstanden, und zwar in einer Größenordnung, die sich deutlich vom Vorgang Pulverweg abhebe. Damals habe Mädge ein Disziplinarverfahren gegen seinen Ersten Stadtrat Peter Koch bei einer deutlich geringenen Schadenssumme eingeleitet. Die CDU behalte sich daher vor, ein Disziplinarverfahren gegen den Oberbürgermeister zu fordern, so Pols. "Zunächst aber soll ein unabhängiger Ermittler zur Aufklärung der Umstände und Benennung der Verantwortlichen einschaltet werden." Einen entsprechenden Antrag werde die CDU alsbald einbringen.
■ Grüne: "Keine Unregelmäßigkeiten"
Anders beurteilten die Grünen im Stadtrat die Situation. Auch seine Fraktion habe Akteneinsicht genommen, sagte Fraktionschef Andreas Meihsies, und dabei weder Unregelmäßigkeiten noch Vorsatz feststellen können. Pols und Pauly seien für ihn daher "politische Schaumschläger", da sie weder mit Fakten kämen noch bis heute den Weg zum Innenministerium gefunden hätten - will sagen: ein Disziplinarverfahren angestrengt hätten. "Ich nehme Sie beide nicht ernst", so Meihsies.
■ FDP: "Uns ist nichts vorzuwerfen"
Aber auch die FDP mochte der CDU und der Linken in ihrer Lageeinschätzung nicht folgen. "Die einzig entscheidende Frage lautet doch: Ist der Stadt ein Schaden entstanden?", fragte Birte Schellmann die Runde. Dies könne sie nicht erkennen, da ja letztlich auf dem Grundstück die Feuerwehr entstanden sei. "Uns ist kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen", so Schellmann.
■ Linke: "Missachtung des Rates"
Für Michèl Pauly hingegen war klar: Bei einem Vierfachen der Summe des Schadens, der beim Pulverweg entstanden war, sei ein Disziplinarverfahren gegen Mädge überfällig. "Was ist schlimmer: Bei einem siebenstelligen Eurobetrag nicht nachzufragen oder einfach die Augen zu verschließen?", fragte Pauly. Bezeichnend sei für ihn zudem, wie der Oberbürgermeister mit dem Rat umgehe: "Anzunehmen, dass der Rat ohnehin der Ansiedlung der Feuerwehr auf dem Gelände zugestimmt hätte, ist eine Missachtung dieses Rates."
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