Rathaus entdeckt plötzlich weitere Millionen-Defizite – Deutliche Kritik von SPD, CDU und FDP
Lüneburg, 08.07.2025 - Lüneburgs ohnehin schon desaströser Hauhalt rutscht weiter in den Keller. Darüber informierte Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch den Rat der Stadt per E-Mail, drei Wochen nach der letzten Sitzung des Finanzauschusses. Darin führt sie einen Einbruch der Gewerbesteuer-Einnahmen um rund 6 Millionen Euro und deutlich gestiegene Pensionsrückstellungen im Umfang von zusätzlich 5 Millionen Euro auf und nennt Einsparmaßnahmen. Bei SPD, CDU und FDP lösen die neuen Zahlen und die Informationspolitik der Verwaltung Empörung und Kritik aus.
"Die Verwaltung sieht sich Einflüssen gegenüber, welche weder in dem Maße prognostizierbar waren noch durch Handeln der Verwaltung beeinflussbar sind", schreibt Kalisch in ihrer E-Mail vom 4. Juli, in der sie die neuen Zahlen erstmals offenlegt. Zugleich lässt sie den Rat wissen, dass die wegen des hohen Haushalts-Defizits bereits beschlossene Haushaltssperre – Einsparungen von 6,5 Millionen Euro in diesem und 9,2 Millionen Euro im kommenden Jahr – noch verschärft werden: "Über die bereits im Haushalt verankerte Sperre hinaus habe ich auf Vorschlag von Kämmerer Matthias Rink zusätzliche Maßnahmen ergriffen." Dies seien "übliche Personalmaßnahmen", mit denen vakante Stellen für die Dauer von sechs Monaten nicht wiederbesetzt werden sowie befristete Arbeitsverträge vorerst nicht weiter verlängert werden sollen.
◼︎ "Genießen Sie den Sommer"
Anlass zur Sorge in der Stadtbevölkerung aber sieht die Oberbürgermeisterin nicht. In einer gestern herausgegebenen Pressemitteilung heißt es: "Die jetzt ergriffenen haushalterischen Maßnahmen haben keine spürbaren Auswirkungen auf die Menschen in Lüneburg." Die bereits beschlossenen freiwilligen Leistungen für Vereine, Organisationen, Sozialträger und andere würden dadurch "nicht in Frage gestellt". Auch eine Erhöhung von Steuern sei "aktuell weder angedacht noch möglich".
Den Rat vertröstet Kalisch auch. Der Finanzausschuss werde "weiter regelmäßig" über die Entwicklung des Haushalts informiert, ließ sie die Fraktionen in ihrer Mail vom 4. Juli wissen, in der sie sich mit den Worten "Genießen Sie den Sommer und lassen Sie uns mit frischem Mut in die zweite Jahreshälfte starten!" auch gleich in die Sommerpause verabschiedete.
◼︎ SPD: "Uns reicht es jetzt!"
Doch damit hat Kalisch die Rechnung vermutlich ohne den Rat gemacht. Denn SPD, CDU und FDP sind angesichts der Hiobsbotschaft aus dem Rathaus alles andere als begeistert.
"Uns reicht es jetzt!", zeigt sich der Co-Vorsitzende der SPD-Fraktion Uwe Nehring empört und erinnert daran, dem Doppel-Haushalt nicht zugestimmt zu haben, "jetzt aber die Sache ausbaden müssen". Und er fragt: "Warum ist diese Dramatik denn nicht bereits in der Sitzung des Finanzausschusses am 12. Juni zur Sprache gekommen?" Was sei denn innerhalb von 14 Tagen passiert, dass die Zahlen erst jetzt auf den Tisch kamen?
Nicht einverstanden ist Nehring auch mit dem von der Verwaltung angekündigten weiteren Vorgehen. Die genannten haushalts- und personalpolitischen Maßnahmen bedürften einer "ausführlichen inhaltlichen Darstellung durch die Verwaltung, der öffentlichen Diskussion im Finanzausschuss und der unverzüglichen Klärung von Maßnahmen". Eine Verschiebung oder Verzögerung dieses Themas sei nicht zielführend. Seine Fraktion beantragte deshalb eine außerordentliche öffentliche Sondersitzung des Finanzausschusses.
◼︎ CDU: "Keine neuen Schulden"
Ins gleiche Horn stößt auch die CDU. Man sei über die Entwicklung "äußerst besorgt", es müsse jetzt entschlossen gehandelt werden, eine Sondersitzung des Finanzausschusses sei notwendig, erklärt Alexander Schwake, Vorsitzender des Ausschusses für Finanzen und Interne Services. "Wir müssen jetzt bei jeder einzelnen Maßnahme genau überlegen, ob sie wirklich notwendig ist", so Schwake. Besonders kritisch sieht die CDU-Fraktion dabei Projekte wie etwa Straßenumbenennungen, Ausgaben für sogenannte Bürgerräte oder Radschönrouten. Es braucht jetzt einen klaren, verantwortungsvollen Plan, zusätzliche Schulden seien nicht die Lösung.
◼︎ FDP: "Abwanderung der Betriebe stoppen"
Die FDP-Ratsfraktion sieht in den neuen Zahlen ein grundsätzliches Problem. Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt habe in den vergangenen Jahren zu wenig Beachtung gefunden, sagt Cornelius Grimm, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion. Gefordert sei daher eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung. "Diese Entwicklung kam nicht überraschend. Bereits im Frühjahr war erkennbar, dass die Haushaltszahlen nicht halten würden. Tarifsteigerungen, Rückgänge bei der Gewerbesteuer, steigende Pensionsverpflichtungen – das war alles absehbar." Jetzt werde die Notbremse gezogen, "aber die strukturellen Probleme bleiben", ist Grimm überzeugt.
In Lüneburg fehlten Betriebe, die Gewerbesteuer zahlen, so Grimm. "Was wir haben, sind Handwerksbetriebe, die in Scharen ins Umland abwandern, weil sie hier keine Flächen mehr finden – nach Bardowick, Vastorf, Embsen oder Radbruch. Diese Entwicklung müssen wir stoppen, wenn wir die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt erhalten wollen." Seine Fraktion legte dafür auch gleich einen Fünf-Punkte-Plan vor, unter anderem mit der Ausweisung und Entwicklung weiterer nutzbarer Gewerbeflächen.
◼︎ Grüne fordern Umsetzung des Radentscheids
Von den Grünen, die immerhin die größte Fraktion im Rat stellen, war zur angespannten Haushaltslage nichts zu hören, im Gegenteil. In der heutigen Ausgabe der "Landeszeitung" wirft ihre Fraktion SPD, CDU und FDP vor, zentrale Vorhaben des Radentscheids auszubremsen, darunter den weiteren Ausbau des Fahrradstraßenrings.