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Keine Sternstunde für die Pressefreiheit

Rathaus fährt starke Attacke gegen kritische Berichterstattung über Einstellungverfahren der neuen Kulturamtsleiterin – Kritik von der SPD

Matthias Rink in der Ratssitzung am 19. Dezember. Foto: Screenshot YouTube-Kanal der Stadt LüneburgLüneburg, 21.12.2024 - Mit der freien und kritischen Presse scheint die Lüneburger Stadtverwaltung es nicht so zu haben. Das zeigte sich erneut in der Ratssitzung am Donnerstag, als Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und ihr Kämmerer und Personaldezernent Matthias Rink deutliche Kritik an der Berichterstattung über die Einstellung der neuen Kultur- und Sportamtsleiterin Heike Horn äußerten. Ihr Vorwurf: Hier seien Grenzen überschritten worden. Doch stimmt das auch? Einer genauen Betrachtung hält diese Behauptung nicht stand.

Im Zentrum der Kritik steht die Berichterstattung des Lüneburger Journalisten Carlo Eggeling, der nach der Entscheidung des Rathauses, Heike Horn als neue Kultur- und Sportamtsleiterin einzustellen, über ihren beruflichen Werdegang auf der Online-Plattform "Lüneburg aktuell" berichtete und dabei Erstaunliches zu Tage beförderte. Unter anderem, dass sich die frühere Bürgermeisterin der Insel Langeoog aus gesundheitlichen Gründen aus ihrem Amt hat abwählen lassen und sich erst Monate nach Ende der offiziellen Bewerbungsfrist in Lüneburg bewarb (LGheute berichtete).

Eggeling ging dabei auch der Frage nach, ob es einen Zusammenhang zwischen der späten Bewerbung von Heike Horn und ihrer Zusammenkunft mit Oberbürgermeisterin Kalisch bei einem Treffen eines "Bürgermeisterinnen-Netzwerks" gibt, zu dem Kalisch nach Lüneburg eingeladen hatte. Und er hinterfragte, ob eine Bewerberin, die aus gesundheitlichen Gründen aus ihrem Bürgermeisteramt auf einer Nordseeinsel ausscheidet, geeignet ist für ein anspruchsvolles Kultur- und Sportamt in Lüneburg. Fragen also, die zu einer professionellen Journalistenarbeit gehören, noch dazu, wenn Zweifel an dem Auswahlverfahren aufkommen. 

◼︎ Anschuldigungen ohne Belege 

In der Ratssitzung am Donnerstag ging die Verwaltung auf diese Fragen, die inzwischen weit über Lüneburg hinaus Wellen schlagen und inzwischen sogar das Lüneburger Traditionsmedium "Landeszeitung" erreichten, auf ihre Art ein. Heike Horn, so Kalisch, habe "ein objektives und faires Auswahlverfahren als Beste durchlaufen", es dürfe nicht sein, dass neu Eingestellte "öffentlich zerrissen" werden, hier seien die Grenzen zwischen "richten und berichten stellenweise überschritten" worden. Sie stelle sich "schützend" vor ihre Mitarbeiter. 

Personaldezernent Matthias Rink ging einen Schritt weiter und nahm sich Carlo Eggeling unter Namensnennung gleich direkt vor. Ihm unterstellte er "Hörensagen-Journalismus" und bezeichnete dessen Berichte als Arbeit, "die journalistisch nicht in Ordnung ist". Was nicht in Ordnung gewesen sein soll, sagte Rink nicht. Auch nicht, welche Tatsachen verdreht worden seien, denn auch dies warf er "Journalisten dieser Stadt" vor. 

◼︎ Auswahlverfahren war anders als bisher

Rink ging stattdessen auf das Auswahlverfahren von Heike Horn ein, das nach einem "bis dato vollkommen üblichen Verfahren" und auch "unter Berücksichtigung aller rechtlichen Rahmenbedingungen" durchgeführt worden sei. So sei die Auswahlkommission benannt worden und auch ein Lebenslauf sei beigefügt worden, "alles so, wie es bislang üblich war".

Alles so, wie es bislang üblich war? Das trifft wohl nicht ganz zu, wie auch Rink nebenbei einräumte, als er zusicherte, dem Verwaltungsausschus künftig wieder Synopsen, also Gegenüberstellungen der angetretenen Bewerber, vorzulegen. Warum aber wurde dies in diesem Auswahlverfahren unterlassen? Dazu sagte Rink nichts. Zu Zeiten von Ulrich Mädge, Kalischs Vorgänger im Amt, sei dies standardmäßig erfolgt, ebenso wie die Einschaltung eines Headhunters auch für Mitarbeiter dieser Ebene, wie Mädge auf LGheute-Nachfrage erklärte. Warum dieses Mal nicht? 

◼︎ SPD sieht sich von der Verwaltung getäuscht 

"Wenn Sie ein Problem mit der Pressefreiheit haben oder einzelnen Journalisten oder Journalistinnen haben, dann können Sie das klären von Verwaltungsebene aus", bemerkte die SPD-Co-Fraktionsvorsitzende Hiltrud Lotze zu den Ausführungen von Matthias Rink. Und sie sparte nicht mit Kritik an dem Vorgehen der Stadtverwaltung. "Ich muss sagen, wir fühlen uns da ein Stück weit getäuscht, weil uns diese Informationen vorenthalten wurden", sagte Lotze mit Blick darauf, dass der Verwaltungsausschuss von der Verwaltung nicht umfassender über die Personalie Horn informiert worden sei. Sie selbst habe "leider" erst einen Tag nach der Entscheidung für Heike Horn, die auch von der SPD mitgetragen wurde, nach dem Namen gegoogelt. Lotzes Vorwurf an die Verwaltung: "Sie hätten ahnen müssen, dass da kritische Fragen kommen", nachdem der NDR schon am 29. Oktober darüber berichtet hatte.

◼︎ Bewerber-Recherche "nicht Aufgabe der Verwaltung"

Ulrich Blanck (Grüne) offenbarte sein Verständnis über die Arbeit der Verwaltung bei der Personalauswahl. Zu dem Hinweis von Hiltrud Lotze, die Verwaltung hätte vielleicht auch einmal im Internet prüfen können, was über die Bewerberin berichtet wird, sagte er: "Das kann nicht Aufgabe der Verwaltung sein." Und Blanck, der zu Mädges Zeiten keine Gelegenheit ausließ, die Verwaltung zu kritisieren und zu hinterfragen, forderte den Rat auf, "gemeinsam zum Konsens zu kommen und uns miteinander zu verständigen und nicht zu verletzen". 

Marianne Esders (Linke) empfahl Rink, der von den kritischen Medien eine andere Tonlage eingefordert hatte, er möge "doch bitte einmal selbst reflektieren, wie er mit Ratsmitgliedern im Einzelnen und auch mit Mitgliedern vom Seniorenbeirat und anderen Beiräten im Ton umgeht, und dies in Zukunft verbessern". 

◼︎ CDU nennt Presseveröffentlichungen "ein Unding" 

Wolfgang Goralczyk (CDU), der anscheinend nicht mitbekommen hatte, dass die Verwaltung das Thema in der Sitzung angeschoben hatte, sagte in Richtung Hiltrud Lotze: "Es ist ein Unding, dass man das hier öffentlich macht" und warf der SPD Profilierungsabsicht vor. Es sei nicht die Verwaltung, die das Thema öffentlich gemacht habe, "sondern Herr Eggeling". Das sei "ein Unding".

Warum Goralczyk dann auch noch mit einem starken Schulterschluss mit der Verwaltung auffiel – "die Oberbürgermeisterin hat nur ganz neutral berichtet" –, lässt sich vielleicht mit dem Parteibuch des Stadtkämmerers erklären: Matthias Rink ist CDU-Mitglied. Obendrein wird in der Stadt bereits gemunkelt, die CDU wolle bei der kommenden Oberbürgermeisterwahl 2026 Rink aufstellen. Kritische Berichte kommen da bekanntlich nicht gut an.


◼︎ Dazu bisher auf LGheute:

 

 

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