Ein Behörden-Schreiben aus Lüneburg sorgt auf X und in der überregionalen Presse für Verwunderung
23.08.2024 - "Wenn sich der Betroffene weigert, in das Flugzeug zu steigen, beziehungsweise auf eine andere Art versucht, sich der Abschiebung zu widersetzen, kann dieser auf freien Fuss gesetzt werden und eigenständig zu der ihm zugewiesenen Unterkunft zurückreisen." Diese hochoffizielle Anweisung kommt von keiner geringeren als der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, Vollzug Lüneburg, die auch für die Abschiebung von nicht aufenthaltsberechtigten Personen zuständig ist. Adressat der Anweisung ist die Bundespolizei am Flughafen Düsseldorf, die dort dafür zu sorgen hat, dass Ausreisepflichtige das Land auch tatsächlich verlassen.
"Die BUPOL (die Bundespolizei; Anmd.Red.) wird bei einem Scheitern der Abschiebung gebeten, die Abschiebeunterlagen an die zuständige Ausländerbehörde zu versenden. Mit freundlichen Grüßen" endet das Lüneburger Schreiben, das kürzlich durch einen Eintrag auf der Plattform X bundesweite Beachtung fand und bei den Nutzern Kopfschütteln bis Fassungslosigkeit auslöste.
Gepostet hatte das Schreiben laut einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) die "Bild"-Zeitung, Manuel Ostermann, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, hatte darauf reagiert. Er sagt dazu: "Der Staat versagt nicht nur komplett, er zieht sich hochoffiziell zurück. Das Risiko trägt die Bevölkerung, die Kosten dieses Irrsinns auch. Kein Wahlergebnis darf uns wundern, nirgends", wird Ostermann in dem NZZ-Bericht zitiert.
Was viele erzürnt: Bis ein Ausreisepflichtiger vor dem Flugzeug und vor der Abschiebung steht, hat der Staat bereits viel Geld und Mühe aufgebracht. Denn gegen eine Ausreisepflicht kann sich der Betroffene vor Gericht wehren, was ihm schon mal Jahre des Verbleibs in Deutschland bei vollen Sozialleistungen sichert. Hinzu kommen weitere Hinderungsgründe für eine Ausweisung, darunter fehlende Papiere oder die Weigerung des Herkunftslandes, den Betreffenden zurückzunehmen. Und auch eine plötzliche Krankheit oder eine Heirat können die Abschiebung zunichte machen. Das Ergebnis: "Die allermeisten Ausreisepflichtigen erreichen gar nicht erst das Abschiebeflugzeug", wie die NZZ schreibt.
Die NZZ war es auch, die bei der Behörde nach der Echtheit des Schreibens nachhakte, was dort bestätigt wurde. Und auf eine Anfrage der NZZ beim SPD-geführten Innenministerium in Hannover hieß es, das Schreiben sei "leider ausgesprochen missverständlich und unpräzise formuliert" und werde "ab sofort überhaupt nicht mehr genutzt".
Bemühungen seitens der LGheute-Redaktion, Berichte über diesen Vorgang auch in lokalen Tageszeitungen aufzufinden, blieben ohne Erfolg.