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Experimentierfeld Lüneburg

27.09.2021 - Die Lüneburger haben gewählt. Mit Claudia Kalisch haben sie gestern nicht nur erstmals eine Frau auf den Chefsessel im Rathaus der Stadt gehievt, sondern gleich auch noch einer Grünen das wichtige Amt anvertraut. Und auch Julia Verlinden konnte sich als Direktkandidatin der Grünen für den Bundestag einer deutlichen Mehrheit zumindest der Lüneburger sicher sein. Überraschend auch der Wahlsieg der Hansestadt-Grünen bei der jüngsten Kommunalwahl. So viel Grün auf einmal wirft Fragen auf. Haben hier wirklich die Lüneburger gewählt?

Lüneburg ist Universitätsstadt. Knapp zehntausend junge Menschen sind an der Leuphana eingeschrieben, beliebt ist das Fach Kommunikationswissenschaften in Kombination mit Nachhaltigkeits-, Gender- und anderen Gerechtigkeitsforderungen. Und die Studenten sind aktiv. Das erleben die Lüneburger nahezu wöchentlich, wenn abwechselnd für das Klima, die Umwelt, die Flüchtlingsrettung oder das Lastenfahrrad oder alles zusammen demonstriert und die Innenstadt über Stunden blockiert wird. 

In den lokalen Medien stoßen sie mit ihren Aktionen auf große Resonanz. Das sorgt nicht nur für die erhoffte Aufmerksamkeit, es spornt die umtriebigen Aktivisten:Innen auch zu weiteren Aktionen an. Immer neue Projekte werden von studentischen Gruppen erarbeitet und oft mit viel Trara inszeniert – egal, ob es um die zweiundzwandzigste Auflage für plastikfreies Einkaufen oder ein autofreies Lüneburg geht.

Was aber von diesen bunten Ideen letztlich übrig bleibt, weiß kein Mensch. Darüber erfährt man auch nichts mehr, denn es wird ja bereits das nächste Projekt aus dem Hörsaal auf die Straße gebracht. Was zählt, ist letztlich der mediale Auftritt, denn mit dem lässt sich die Examensarbeit bestens schmücken – schließlich studiert man ja Kommunikationswissenschaften. Und wenn das Studium beendet ist, ist man auch schon wieder weg.

Dieses Verhalten löst bei Lüneburgern wahrnehmbar Unbehagen aus, vor allem dann, wenn es um politische Entscheidungen mit Langzeitwirkung geht. Denn der überraschende Erfolg der Grünen dürfte nicht zuletzt auch durch die vielen Studenten ausgelöst worden sein, die hier vorübergehend ihren ersten Wohnsitz haben und in Lüneburg daher auch wählen dürfen. Dass dabei die Grünen favorisiert werden, liegt auf der Hand.

So wird Lüneburg zu einem Experimentierfeld für alle möglichen Ideen, für deren Konsequenzen die temporären Lüneburger aber nicht mehr einstehen müssen. Man kann daher nur hoffen, dass die Grünen, die nicht nur stärkste Fraktion im Rathaus sind, sondern mit Claudia Kalisch nun auch die alleinige Mehrheit im geheim tagenden Verwaltungsausschuss haben, ihrer Verantwortung für die Stadt gerecht werden. Denn nicht jede lautstark auf der Straße inszenierte Forderung bildet auch den Willen der Mehrheit der Lüneburger ab – auch wenn die Medien dies bisweilen gern so verkünden.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Claudia Kalisch wird Oberbürgermeisterin"

 

Kommentare  
Nun machen Sie es sich doch etwas zu einfach, wenn Sie alle Grünwähler und junge Menschen in einen Sack stecken und sich Ihr Weltbild auf der Grundlage von erlebten Mahnwachen-auch noch Frauen-gestalten. Schade eigentlich, weil Ihre ideologiekritischen Kommentare (durchzogen mit etwas Hochnäsigkeit) auch wenn meine bisherigen Rückmeldungen nicht darauf schliessen lassen, doch durchaus zum Nachdenken anregen und dass obwohl sie nicht immer meiner politischen Meinung entsprechen. Und keine Sorge, auch die Mehrheit im Verwaltungsaus-schuss der Stadt wird nicht die Enteignung von Wohnungen im Roten Feld betreiben. Letztlich sind die Grünen doch konservativer und staatstragender als manch anderer es erwartet und sie haben auch in der Vergangenheit gezeigt, dass sie sich über Parteitagsbeschlüsse hinwegsetzen, wie bei Hartz IV oder dem Kriegseinsatz in Bosnien geschehen. Unklar ist mir allerdings, wie Sie, dass "bei Lüneburgern wahrnehmbar Unbehagen" ermittelt haben.
Zum Glück hängen nicht alle jungen Menschen an grünen Ideologien, da haben Sie Recht, Frau Soltau. Das hat übrigens auch die jüngste Bundestagswahl gezeigt, die der FDP einen hohen Stimmenanteil bei den Erstwählern bescherte. Robin Alexander von der "Welt" erklärte das gestern bei "Hart aber fair" so: "Denen gehen ihre rot-grünen Lehrer, die rot-grünen Medien und die ganze Fridays-for-Future-Beschallung auf die Ketten."
Ich fürchte Ihrer These liegt eine Falschbehauptung zu Grunde:
Es gibt an der Leuphana meines Wissens keinen Studiengang "Kommunikationswissenschaften". Daher scheint mir auch das große mediale Geltungsbedürfnis der Studierenden eine Fehlinterpretation. Falls ich falsch liege und es einen solchen Studiengang doch gibt, freue ich mich über einen entsprechenden Link.
Voila, Herr Hörisch:
https://www.leuphana.de/services/miz/literaturrecherche/bestaende/systematiken/kom-kommunikation-und-medien.html

Das erfährt man übrigens ganz leicht durch Eingabe von "Leuphana" und Kommunikationswissenschaft" in Google.

Mit bestem Gruß
LGheute-Redaktion
Sie belegen mit dem Link nur, dass es in der Bibliothek Bücher über Kommunikations- und Medienwissenschaften gibt.

Das zeigt, wie schlecht Sie recherchieren. Es gibt weiterhin keinen Studiengang der Kommunikationswissenschaften in Lüneburg.

Sie sollten vielleicht endlich mal ihr Weltbild erweitern und den jungen Menschen, die sich zu Recht heute , in der Vergangenheit und in Zukunft in Lüneburg einbringen (werden) zuhören.
Guten Morgen Herr Rakow,
vielen Dank für Ihren Hinweis. Sie haben Recht, den Studiengang "Kommunikationswissenschaften" gibt es so nicht, er nennt sich "Kulturwissenschaften" und beinhaltet unter anderem "Kultur und digitale Medien", also das, worüber geschrieben wurde.
Zu Ihrer Bemerkung, ich sollte den jungen Menschen doch mal zuhören: Das Vergnügen hatte ich mehrfach. Besonders erleuchtend fand ich dabei die zahlreichen "Mahnwachen" vorm Rathaus, bei dem zumeist junge Frauen der Einfachheit halber eine Audiodatei abspielten und den Marktplatz lautstark mit so ziemlich allen antiimperialistischen Parolen beschallten, die man sich wünschen kann. Und natürlich fehlten auch Anti-Diskriminierung, Feminismus, LGBTQ, Kampf gegen Rechts, Mietendeckel und andere schöne Mainstream-Vorstellungen nicht. Die "Mahnwachenden" blieben übrigens unter sich, weit und breit war kein Publikum zu sehen. So viel zum Thema Weltbild-Erweiterung.
Es grüßt freundlich die LGheute-Redaktion
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