10.09.2024 - Lüneburgs Alter Hafen ist endgültig Geschichte. Denn eines seiner wesentlichen Merkmale, die Kaimauer, gibt es in Kürze nicht mehr. Grund ist das Geländer, das dort in diesen Tagen montiert wird. Es friedet ein, was nicht eingefriedet gehört, schließlich ist der zentrale Wesenskern einer Kaimauer ja gerade ihr freier Zugang – Fehltritte nicht ausgeschlossen. Und genau darin liegt der Charme dieser offenen Hafenkante, die nun hinter einem Geländer ihrer Bedeutungslosigkeit zugeführt wird. Sie stand noch für Freiheit, Risiko und Selbstverantwortung – Begriffe, die Politik, Verwaltungen und Behörden eher mit Argwohn verfolgen als mit einem selbstbewussten und selbstbestimmten Bürgertum verbinden.
Alles wird geregelt, fast nichts bleibt mehr dem Eigengeschick und der eigenen Urteilskraft überlassen. Fußgänger dürfen nicht bei Rot über die Straße gehen, auch wenn weit und breit kein Auto in Sicht ist, ganze Straßen werden monatelang gesperrt, weil ein Radweg asphaltiert wird, Restaurants werden geschlossen, wenn in deren Küche Fußbodenfliesen einen Sprung haben, Wohnungen bleiben leer, weil die neueste Brandschutzverordnung es so will – die Liste ließe sich fortsetzen.
Was allen Beispielen gemein ist: Immer geht es um mehr Sicherheit, erklären zumindest Behörden und Verwaltungen, wenn neue Beschränkungen, neue Verbote oder – wie in diesem Fall – ein neues Geländer errichtet wird, das zugleich auch eine Sperre ist.
Doch diese Sicherheit ist trügerisch: Denn mit jedem Mehr an staatlich verordneter Sicherheit geht verloren, was für eine freie und offene Gesellschaft unerlässlich ist: die Übernahme persönlicher Verantwortung. Nur mit ihr werden Menschen zu selbstbestimmten Individuen – auch auf die Gefahr hin, dabei auch mal scheitern zu können. Nicht von ungefähr wird deshalb auch immer öfter nach dem Staat gerufen, der die vermeintliche Last der Veranwortung abnehmen soll. Der macht das auch gern, nur bleibt Freiheit dann immer mehr auf der Strecke. In diesem Fall die Kaimauer, von der man bis vor Kurzem auch mal herunterfallen konnte. Das ist nun vorbei.
Ein Kommentar von Ulf Stüwe
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