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Bürger:innen statt Bürger

Seit Claudia Kalisch Oberbürgermeisterin ist, wird im Rathaus kräftig gegendert – ohne jegliche Grundlage

Liebt das Gendern: Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Foto: LGheuteLüneburg, 12.10.2022 - Wenn der Rat der Stadt heute zu seiner Oktober-Sitzung zusammenkommt und Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch das Wort ergreift, wird sie aller Voraussicht nach auch an diesem Tag wieder von "Bürger:innen" sprechen oder andere sprachlich unzulässige Wortneuschöpfungen nutzen. Damit setzt die Grünen-Politikerin sich nicht nur über entsprechende Vorgaben des Rates für deutsche Rechtschreibung hinweg. Sie ignoriert auch, dass der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung diese "Gender"-Sprechbarrieren ablehnt. Der Oberbürgermeisterin aber ist das offenbar egal.

Wenn es um korrekte deutsche Rechtschreibung in den bundesdeutschen Amtsstuben geht, ist der "Rat für deutsche Rechtschreibung" maßgebend. Er ist ein zwischenstaatliches Gremium, das von den staatlichen Stellen damit betraut wurde, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln, wie es auf der Webseite des Gremiums heißt. Das von ihm verfasste "Amtliche Regelwerk" gibt vor, wie amtliche Texte verfasst sein müssen.

Und genau dieses Gremium lehnt das von der Lüneburger Verwaltung praktizierte "Gendern" durch Einfügen eines Doppelpunktes in ein Wort ab. Eindeutig ist geregelt: "Das Amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege. Der Rat hat vor diesem Hintergrund die Aufnahme von Asterisk ("Gender-Stern"), Unterstrich ("Gender-Gap"), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen".

◼︎ Im Rathaus unbekannt oder egal

Claudia Kalisch, Oberbürgermeisterin und Chefin der Verwaltung, ist diese bindende Empfehlung entweder nicht bekannt oder sie ist ihr schlichtweg egal. Das geht aus einer Antwort des Rathauses auf eine entsprechende Anfrage von LGheute hervor. Danach ist es für die Oberbürgermeisterin ausreichend, dass der Gender-Doppelpunkt "in einigen Bereichen der Gesellschaft bereits etabliert" ist "als Zeichen für eine inklusive und diskriminierungsfreie Ausdrucksweise." Eben eine solche Sprache habe sich auch die Stadt zum Ziel gesetzt, "um niemanden auszuschließen".

Auf welcher Grundlage die Lüneburger Verwaltung ihre Amtsbriefe und ihre Anreden denn verfasse, wollte LGheute weiter wissen. Die Antwort: "Einer rechtlichen Grundlage für sprachliche Veränderungen bedarf es unserer Kenntnis nach nicht." Man könne die Notwendigkeit zu Veränderungen aber aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Änderung des Personenstandsgesetzes vom Oktober 2017 herleiten. Zudem müsse "die sogenannte dritte Option 'divers' verbindlich neben 'weiblich' und 'männlich' als Geschlechtseintrag möglich sein und entsprechend umgesetzt werden", so das Rathaus.

Nur: Zur Rechtschreibung, geschweige denn einer geschlechtergerechten Sprache hat sich das Bundesverfassungsgericht gar nicht geäußert. Das hindert aber selbst den Ausschuss für Gleichstellung des Rates der Hansestadt Lüneburg nicht, die Verwaltung zu beauftragen, eine geschlechtergerechte Sprache auf den Weg zu bringen, die auf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts basiere. Ein entsprechender Leitfaden für die Verwaltung solle bis zum Jahreswechsel sukzessive umgesetzt werden.

◼︎ "Öffentlich-rechtliche Umerziehung"

Mit deutlichen Worten hat kürzlich auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) das Gendern in öffentlichen-rechtlichen Medien kritisiert. In ihrem Kommentar "Öffentlich-rechtliche Umerziehung" stellt Autorin Heike Schmoll klar, dass "Rundfunk und Fernsehen sich eine sprachliche Erziehung anmaßen, die ihnen nicht zusteht" – ein Argument, das ohne Frage auch auf die öffentliche Verwaltung übertragbar ist.

Schmoll wischt in ihrem Kommentar auch das Argument vom Tisch, wonach maskuline Substantive oder Pronomen (generisches Maskulinum) keine neuzeitliche Erfindungen sind, wie einige Vertreter der Genderlinguistik gern behaupten, sondern aus der Spätantike stammen und dann Eingang ins Althochdeutsche fanden. Zwar hätten Sprachforscher "hundertfach auf die wissenschaftlich unzulässige Vermengung der Kategorien des grammatischen Genus und des biologischen Geschlechts (Sexus) hingewiesen", doch sei das bislang erfolglos gewesen.

In den Redaktionen sei ein enormer Gruppendruck entstanden, fährt Schmoll fort. "Wer nicht gendert, wird von Kollegen angesprochen und muss sich rechtfertigen." Ähnliches ist auch aus dem Rathaus zu hören, wenngleich es dort keine interne Anweisung seitens der Oberbürgermeisterin gegeben habe, wie das Rathaus erklärt. Verwunderlich, denn das Gendern ist mit Kalischs Amtsantritt spürbar gestiegen.

◼︎ 74 Prozent lehnen Gendern ab

In der Bevölkerung kommt das Gendern weiterhin nicht gut an. 74 Prozent der Deutschen denken nicht, dass sich die deutsche Sprache im Sinne einer "Geschlechtergerechtigkeit" verändern sollte, wie eine Erhebung des Instituts INSA für die "Bild-Zeitung" im August ergeben hat.

Claudia Kalisch, als Oberbürgermeisterin allen Lüneburgern verpflichtet, ist auch das offenbar egal. Für sie ist das Gendern lediglich eine "Frage der Gewohnheit" und ein "politischer Auftrag", den sie trotz der Ablehnung durch die Bevölkerung nicht gedenke aufzugeben. Gegen die statistisch nachgewiesene deutliche Ablehnung in der Bevölkerung führt das Rathaus stattdessen eigene Erhebungen ins Feld: "Die Stadtverwaltung und auch die Oberbürgermeisterin selbst erhalten zahlreiche Schreiben von Bürger:innen, die ebenfalls die Schreibweise mit dem Gender-Doppelpunkt enthalten. Auch nutzen Lüneburger:innen am Telefon regelmäßig selbst diese Sprachform. Von geringer Akzeptanz ist nichts zu spüren. Oberbürgermeisterin und Verwaltung wollen mit ihrer Sprache Toleranz, Fairness, Gleichberechtigung und Offenheit ausdrücken – und hier mit gutem Beispiel vorangehen."

 

 

Kommentare  
Gelernt habe ich in der Schule "Meine sehr geehrten Damen und Herren", Er und Sie etc. Im Beruf haben wir uns denn schon mal der weibliche Form angenähert wie z.B. mit dem Wort BürgerInnen und dies auch schon seit mindesten 20 Jahren. Vielfach wurde das am Anfang eines Schreibens verwendet. In einer Fußnote stand in etwa, zur besseren Lesbarkeit wird auf die weibliche Form verzichtet. Das hat nach meiner Einschätzung auch ganz gut funktioniert. Durch mein kommunalpolitisches Engagement halte ich Gelegentlich auch Reden/Begrüßungen etc. Ich bekomme das z.B. mit den Bürger--Innen sprachlich hin und auch z.B. mit den Mitarbeitenden. Ich habe für mich aber jetzt entschieden, dass ich das in Sitzungen etc. anders mache. In der letzten Ratsitzung habe ich "Hallo ALLE" benutzt. Ich werde das jetzt noch mal verändern und meine Begrüßungen auf Plattdeutsch machen. "Leeve Lüüd" scheint mir dafür perfekt zu sein. Im diesen Sinne wünsche ich einen goden Dag leeve Lüüd.
Wer davon ausgeht, das sich Sprache nicht verändern darf, kann sich auch gerne weiterhin in der Zeichensprache unserer frühen Vorfahren unterhalten, während der Rest der Menschheit die Notwendigkeit versteht, Sprache an die Realität anzupassen, wenn es sein muss. So wie es seit Jahrtausenden passiert und auch weiterhin passieren wird.
Und nochmal für die, die es einfach nicht verstehen (wollen): Niemand zwingt Sie, zu gendern. Genauso sollten Sie niemanden daran hindern, es zu tun. Insbesondere da die Idee hinter dem Gendern eine sehr gute ist.
Sie bringen das Problem auf den Punkt, wenn auch ungewollt: Sprache passt sich der Realität an. ja. Aber mit dem Gendern soll sich die Realität der Sprache anpassen. Das hat noch nie funktioniert.
Die Realität soll sich der Sprache anpassen? Häh? Ich hoffe, ich muss Sie jetzt nicht allzu sehr erschrecken, aber es gibt seit jeher Menschen, die nicht männlich sind.
Das ist eine Realität, die durch unsere Sprache bisher nicht angemessen repräsentiert wird. Und mit dieser Konvention versuchen einige Menschen zu brechen. Nicht mehr und nicht weniger. Aber kämpfen Sie ruhig weiter gegen Windmühlen, es war anscheinend nie leichter auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen als im Internetzeitalter.
und was ist dann mit dem 3 Geschlecht?
Das bleibt ja vollkommen unbeachtet.
... und sind die Rathaus-Antworten an LGheute nicht schon Wahnsinn oder Satire, so sind sie doch Methode! Die Methode der lauten Minderheiten. :-x
Ihr Kommentar trifft es gut. Das sehe ich auch so.
Ich hoffe, dass wir bei der Kriegsrethorik der Grünen den Winter überhaupt überstehen.
Danke, lieber Ulf Stüve für diese Fleißarbeit. Die Grünen Khmer wollen ihre Ideologie durchdrücken . Ob Energieversorgung, Sprache und vieles mehr. Was die grosse Mehrheit der Bevölkerung denkt, ist ihnen egal. Denn was sind schon 15 oder 20 Prozent der Wähler, die ihr Kreuz bei Ricarda Lang und Co machen? Das sind, angesichts der geringen Wahlbeteiligungen, gerade Mal 10 oder 15 Prozent der Bevoelkerung. Aber ich denke, nach dem ersten harten Winter sieht die Welt schon ganz anders aus . .
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