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Bauen für den großen Denker

An der Ritterstraße beginnen die Arbeiten für den "Kant-Bau" – Fördermillionen fließen nach Lüneburg

Eine Skizze aus früheren Tagen: Im Hintergrund hellschraffiert der Kant-Bau mit Blick von der Heiligengeiststraße. Grafik: Ostpreußisches LandesmuseumLüneburg, 11.10.2023 - Noch ist es eine große Baulücke, doch schon in Kürze soll an der Ritterstraße eine der bedeutendsten Ausstellungen der deutschen Aufklärung entstehen. Die Rede ist von dem "Kant-Bau", einem viergeschossigen Museumsbau, der in das Ensemble des Ostpreußischen Landesmuseums eingefügt werden soll. In diesen Tagen beginnen die Bauarbeiten, die noch zum 300. Geburtstag des Philosophen Immanuel Kant im kommenden Jahr abgeschlossen werden sollen.

Pünktlich zum Baubeginn waren auch alle zuwendungsrechtlichen und baufachlichen Hürden genommen: Die Zuwendungsbescheide vom Bund und Land Niedersachsen liegen vor, die Fördermittel in Höhe von insgesamt acht Millionen Euro können abgerufen werden. Damit kann der Hochbau starten, nachdem schon in diesem Frühjahr archäologische Vorarbeiten erfolgt waren mit für die Stadtgeschichte teils spektakulären Funden.

Der Zeitplan ist ambitioniert: Noch im kommenden Jahr soll anlässlich des 300. Geburtstages des großen Denkers eine eigene Immanuel-Kant-Abteilung geöffnet werden. Immanuel Kant gilt als der wichtigste Denker der Moderne beziehungsweise der deutschen Aufklärung. Doch bis heute gibt es in Deutschland keine museale Präsentation dieser herausragenden, international geachteten Persönlichkeit. Vielleicht, weil Kant Ostpreußen zeitlebens nie verlassen hat.

◼︎ Neue Chancen für Lüneburg

Damit wird Lüneburg nun zur "Kant-Stadt" und erhält damit eine Auszeichnung, die neben Königsberg, dem Lebensort Kants, keiner anderen Stadt zuteil wird. Für die Stadt bieten sich damit Chancen, jenseits von "Roten Rosen" ein kulturell interessiertes Publikum anzusprechen, an das sich auch andere Einrichtungen wie das Lüneburger Theater andocken können. Man darf gespannt sein, was der Stadt und seiner Marketing GmbH dazu einfallen wird. Noch ist es allerdings erstaunlich ruhig dort. 

Zurück zum Kant-Bau: Entstehen soll ein viergeschossiger, eher schmuckloser und nahzu fensterloser Museumsbau, der eine städtebaulich unansehnliche Lücke in der Ritterstraße schließen wird. Neben einem neuen Archiv im Untergeschoss sind zwei Etagen Dauerausstellung geplant sowie im Erdgeschoss ein "Kant-Forum" als Ort für Begegnungen, Tagungen und einem offenen Austausch – sicher ganz im Sinne von Aufklärern wie Kant.

In der Ausstellung wird nicht nur die Biographie des Königsbergers vorgestellt, sondern vor allem seine Philosophie und ihre Bedeutung für heute: seine Erkenntnistheorie, seine Moralphilosophie sowie wichtige gesellschaftliche Konzepte zur Menschenwürde, Pressefreiheit, Vernunft und Verantwortung. Aber auch völkerrechtliche Ansätze, etwa aus seiner Schrift "Zum ewigen Frieden", werden thematisiert.

Während der Zeit der Bauarbeiten sollen die Beeinträchtigungen in der Ritterstraße so gering wie möglich ausfallen. Die Straße bleibt für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer nutzbar. Schon jetzt steht auf Höhe des früheren Museumseingangs ein Bauzaun. Hintergrund sind Vorarbeiten für die Aufstellung des Baukrans.

 

Kommentare  
Noch einmal über große und kleine Denker. Mit oder ohne Multimillionen-Euro-Prachtbau: Nach "zutiefst antisemitischen" Äußerungen (so das örtliche Studierenden-Parlament) tritt der Fernsehphilosoph Richard David Precht mit sofortiger Wirkung (!) von seiner Honorarprofessur an der Leuphana-Universität Lüneburg zurück. Gut so! - - - - - LZ-Volontär Moritz Constantin kommentierte vor einer guten halben Stunde: "Ja, Precht hat nun hingeschmissen. Offen bleibt: Wie positioniert sich die Uni zu seinen Aussagen? Man habe sie, wie auch seine Entschuldigung, zur Kenntnis genommen, erklärt der Unisprecher lapidar. Weiter wolle man dazu nichts sagen. Die Studierenden haben aber eine Erklärung verdient. Ein Satz würde reichen. Den gibt es aber auch auf Nachfrage nicht. Haltung zeigen geht anders." - - - Allerdings!
Wo außer in Lüneburg gibt es einen Denker, der vier Stockwerke groß ist?
Eines Tags geschah es Kant, / dass er keine Worte fand. / Stundenlang hielt der den Mund, / und er schwieg nicht ohne Grund: / Ihm fiel absolut nichts ein, / drum liess er das Sprechen sein. / Erst als man zum Essen rief, / wurd' er wieder kreativ, / und er sprach die schönen Worte: / «Gibt es hinterher noch Torte?»
Mir fällt bei diesem Versuch, eine kulturelle Randerscheinung der Stadt zu "pimpen" nur der Vergleich zur Hochschule ein, die keine Randerscheinung ist. Der Landesrechnungshof schrieb in seinem Bericht vom 18. Mai 2021: Die Kosten für das Zentralgebäude liegen bei etwa 115 Millionen Euro, haben sich damit gegenüber dem 2011 angesetzten Betrag von 57,7 Millionen Euro nahezu verdoppelt. »Heute zählt das Gebäude zu den teuersten niedersächsischen Landesbauten der letzten Jahre«. Die niederschmetternde Diagnose eines von Größenwahn und Verantwortungslosigkeit herbeigeführten Komplettversagens aller Sicherungs-, Steuerungs- und Kontrollinstanzen von der Universität über die Kommune bis ins Kultusministerium und die Landesregierung findet sich ausführlich auf den Seiten 140 bis 149 hier: https://www.lrh.niedersachsen.de/download/169189/Jahresbericht_2021.pdf Für die Presse komprimiert auf S. 9 hier: https://www.lrh.niedersachsen.de/download/169339/Presse_2021-4_Jahresbericht_2021.pdf
Große Bauten bringen große Denker hervor. Siehe Sascha Spoun. Der hat gleich Präsident der Universität Göttingen werden wollen, nachdem er im Libeskind-Audimax dreimal tief eingeatmet hatte.
Ist den Leiter sein Name denn nicht mehr Claudio Schrock-Pruschwitz?
Pruschwitz als Unipräsident? In Lüneburg wär' sowas bestimmt nicht unmöglich. Doch der Stefan ist jetzt Waldbademeister: https://www.sehnsucht-wald.de/ueber-mich/ Und Schrock, der Claudio? Der hat neuerdings einen Posten als Geschäftsführer der Butjadinger Tourismus-Gesellschaften angetreten: https://www.kreiszeitung-wesermarsch.de/Wesermarsch/Butjadinges-neuer-Tourismus-Chef-schraubt-in-seiner-Freizeit-gerne-an-Oldtimern-153265.html -- Groß geht anders.
Warum denn nicht mal ein großer Anbau für kleine Denker? Stefan Pruschwitz, Sascha Spoun und Eckhard Pols haben zwar nie den Kalkberg zum vielfarbigen Strahlen gebracht, sich aber manchen anderen "Leuchtturm mit Magnetwirkung" ausgedacht.
Wie im Artikel ausgeführt, wird es keine Devotionaliensammlung . Es geht um die Bedeutung der Kantschen Philosophie für uns Heutige. Die drei Fragen von Kant (Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?) sind aktueller denn je. Die UNO, auch unser Grundgesetzes, beziehen sich auf Kantsche Vorstellungen. Man muss dazu Kant nicht im Original lesen. Eine Ausstellung will ja gerade komplexe Inhalte breitenwirksam runterbrechen. Die Ausstellung wird sich nicht an Philosophen richten, sondern an alle, die sich dafür interessieren, wie zentrale Vorstellungen unserer Gesellschaft entstanden sind und wie gut sie heute noch passen. Auch wird die Ausstellung kein Götzenbild. Kant wird aus guten Gründen kritisiert, und das wird selbstverständlich aufgegriffen. Tatsächlich ist Kant bis heute der meistzitierteste Philosoph der Moderne. Mehr als 2 haben die Kritik der reinen Vernunft gewiss gelesen, vielleicht sollten Sie sich schon mal mit dem neuen Namen anfreunden....
Geht's bei dem Anbau wirklich um Kant? Oder ist er Feigenblatt für Preußenträume? 1949 gründete eine Gruppe geflüchteter und vertriebener Bürger aus Königsberg (Pr) in Hamburg die „Kreisgemeinschaft Königsberg- Stadt". In der „Charta der Heimatvertriebenen" von 1950 verzichteten die Heimatvertriebenen auf Vergeltung, bekannten sich zu den Grundsätzen der Demokratie und traten für ein freies und geeintes Europa ein. Später nannte sich diese Königsberg- Gemeinschaft in „Stadtgemeinschaft Königsberg" um. Ihr Sitz wurde Duisburg, das ab 1951 die Patenschaft zu übernahm. Sogleich wurden dort Exponate zur Geschichte und Kultur Königsbergs gesammelt, sie bildeten den Grundstock für das 1968 entstandene „Museum Haus Königsberg" an der Mülheimerstraße, ab 1992 „Museum Stadt Königsberg" in Verbindung mit dem Kultur- und Stadthistorischen Museum der Stadt Duisburg. Nach Schließung des Museums am 10. Januar 2016 sollte die Sammlung im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg ihren Platz finden.
Mark Twain sollte ebenso einen vierstöckigen Anbau an der Ritterstraße bekommen! Der hat auch nichts mit Lüneburg zu tun, ist berühmt, kommt zwar nicht aus Ostpreußen, war aber dafür - anders als Kant - mehrere Male in Amerika. Die drei Hinweise von Twain (Eine gute Rede muss einen knappen Anfang haben! Einen kurzen Mittelteil! Und schnell zum Schluss kommen!) sind aktueller denn je. Sogar bei der UNO wird heute und im Parlamentarischen Rat wurde 1948 gelegentlich daran gedacht, dass Twain Grundtatsachen der westlichen Kultur wie Zivilisation und Freiheit, Sklaverei und Mitmenschlichkeit, Heuchelei und moralische Makellosigkeit beleuchtet ("Tatsachen muss man kennen, bevor man sie verdrehen kann", "Tiere sind die besten Freunde, sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht" usw). Und eines ist sicher, Henning Jörg Claassen hat als Kind gern 'Onkel Toms Hütte' gelesen: https://www.lgheute.de/aufgelesen/3862-aufgelesen-donald-duck.html
Liebes Ostpr. Landesmuseum, "...der meistzitierte..." genügt. Der Superlativ steckt bereits im Präfix. Da können Sie auf den Nachklapp "-ste" verzichten. Aber natürlich, Kant ist "groß"! Also muss auch der Lüneburger Anbau "groß" sein. Und "Großes" muss darin "breitenwirksam runtergebrochen" werden! Mit welchem neuen Namen sollte ich mich denn anfreunden? "Kantisch-kopernikanische Kommerzkapriolen"?
Wozu das denn? Eine Devotionaliensammlung für Selfie-Freaks? Ich will Mitsorg heißen, wenn es im ganzen Landkreis zwei Personen gibt, die mehr als fünfzig Seiten in der Kritik der reinen Vernunft gelesen haben.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nach dem amtlichen Gemeindeverzeichnis des Statistischen Bundesamtes derzeit 294 Kreise bzw. Landkreise und 107 kreisfreie Städte bzw. Stadtkreise. Also dürfte es, wenn ich bei Ihrer Schätzung bleibe, rund 800 Kant-Leser - inklusive der 300 Philosophieprofessoren - in ganz Deutschland geben. Das sind immerhin 0,001 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wenn diese Kant-Freunde jeden Tag alle auf einmal an die Museumskasse drängen, wird man einen zusätzlichen Kassierer einstellen müssen. Werden die zuwendungsfähigen Kosten von 8 Millionen Euro von Bund und Land übernommen, muss die Stadt bei einem Eigenanteil von etwa 20 Prozent oben drauf rund 2 Millionen Euro selbst berappen. Alles in allem bekäme jeder der deutschlandweit 800 Kant-kundigen Besucher seine studierferne Schaulust mit 12.500 Euro Baukosten finanziert. Aufwendungen für Betriebsmittel im Bereich von ca. 300.000 Euro pro Jahr kommen natürlich hinzu.
Eine Stimme aus der Grablege am Königsberger Dom: „Ihr sollt euch keine Götzen machen, und ein Götterbild und einen Gedenkstein sollt ihr euch nicht aufrichten, und keinen Stein mit Bildwerk sollt ihr in eurem Land hinstellen, um euch davor anbetend niederzuwerfen; denn ich bin der Immanuel, euer Kant.“
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