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"Was verzapfen die da schon wieder!?"

Gegenrede: Burghard Heerbeck (CDU) lehnt einen Bürgerrat ab

Burghard Heerbeck bei seiner Rede im Rat der Stadt. Foto: LGheuteLüneburg, 09.11.2023 - Lüneburg bekommt einen Bürgerrat, zumindest testweise. Das beschloss der Rat der Stadt nach einer langen und kontroversen Diskussion in seiner gestrigen Sitzung. Keine Zustimmung erhielt das Vorhaben von CDU, AfD und Basis. Warum die CDU-Fraktion nicht mitgehen wollte, hat ihr Ratsmitglied Burghard Heerbeck mit deutlichen Worten markiert. Hier seine Gegenrede. 


Burghard Heerbeck in der Ratssitzung am 8. November 2023:

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren,

ich stehe heute vor Ihnen, um im Namen der CDU-Fraktion meine Ablehnung gegen den geplanten Testlauf für den Bürgerrat in Lüneburg zum Ausdruck zu bringen und dafür zu werben, dieser Vorlage nicht zuzustimmen.

Die Idee eines Bürgerrats mag auf den ersten Blick gut gemeint sein, aber die hier vorgebrachte Umsetzung und der Zeitpunkt könnten falscher nicht sein. 

Bei den ersten beiden Sitzungen der Arbeitsgruppe zum Bürgerrat saß ich mit Vertretern der Linken, Grünen und der FDP zusammen. Dort habe ich das Ziel des Lüneburger Bürgerrates wie folgt verstanden: Mehr Verständnis für Politik und das Verwaltungshandeln bei den Bürgern zu schaffen und Politikverdrossenheit zu reduzieren.

Der geplante Testlauf und der Bürgerrat selbst sind dafür aber nicht geeignet. Warum?

Erstens: Für die Auswahl der Teilnehmer sind drei Stufen beschrieben:

Stufe I der Auswahl:
Es werden 600 Menschen aus dem Stadtgebiet angeschrieben. Man rechnet mit Rückmeldungen von fünf Prozent. Das heißt: 30 Rückmeldungen. Man rechnet also im Grunde schon damit, dass 95 Prozent der Bürger überhaupt kein Interesse an der Teilnahme an einem Bürgerrat haben. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!

Stufe II der Auswahl:
Die Teilnehmer sollen Rückmeldung über persönliche Merkmale geben, die dann bei der tatsächlichen Auswahl berücksichtigt werden sollen. Beispielsweise sollen fünf Teilnehmer einen Migrationshintergrund haben, acht Teilnehmer sollen maximal einen Hauptschulabschluss haben und maximal 14 Teilnehmer sollen männlich sein.

Was hier getan wird, ist eine ganz klare Verfälschung der Zusammensetzung der Teilnehmer hin zu einer ideologisch motivierten "Planung" der Teilnehmer. Das eigentliche Kriterium für die Auswahl der Teilnehmer kann aber nur sein, dass die Auswahl statistisch aus der Stadtbevölkerung getroffen wird und einem Abbild der Stadtgesellschaft entspricht - und nicht irgendwelchen beliebigen, vorgesetzten Merkmalen.

Somit ist diese Auswahl schlichtweg undemokratisch!

Stufe III der Auswahl:
Wenn die angeschrieben Teilnehmer sich nicht melden, sollen sie noch einmal angesprochen werden. Anders gesagt: Die Bürger sollen von der Teilnahme überzeugt werden, selbst wenn sie kein Interesse haben. Für mich ist das ein Widerspruch zur Freiheit der Entscheidung der einzelnen Personen.

Und auch das ist wieder undemokratisch!

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Arbeitsweise des Bürgerrats:
"Die Teilnehmer sollen kein Vorwissen mitbringen und werden durch Experten beraten", heißt es in der Vorlage. Nur: Wer wählt diese Experten aus? Wer achtet darauf, dass diese Experten eine ausgeglichene, neutrale Perspektive einbringen? Wer achtet darauf, dass die Moderation des Bürgerrats neutral erfolgt?

Ich behaupte: Je nach Experten und Moderation kann die Meinung der Teilnehmer in jede Richtung beeinflusst werden.

Auch das ist nicht demokratisch!

Was aber ist demokratisch? Es sind die demokratisch gewählten Vertreter dieses Rates. Wir sind alle für die Bürger zu jedem Thema ansprechbar und wir tagen öffentlich. Das Zusatzorgan eines Bürgerrats ist nicht nötig.

Und sprechen wir einmal über das Geld:
Mit dem Bürgerrat haben wir die nächste freiwillige Leistung der Stadt, die von den Steuerzahlern und arbeitenden Bürgern bezahlt werden soll. Für den Haushalt 2024 sollen für den Bürgerrat zusätzlich 50.000 Euro ausgegeben werden.

Dieses grüne Rathaus hat zum zweiten Mal in Folge die 40 Millionen Euro Marke für das Haushaltsdefizit geknackt. Eigentlich müssten jetzt alle Alarmglocken läuten und freiwillige Leistungen der Stadt auf ein Minimum reduziert werden. Aber statt zu sparen, werden immer weitere Ausgaben nachgelegt. Dieser Umgang mit den Steuergeldern ist ein Irrsinnsritt und hat mit verantwortungsvollem Umgang mit den uns anvertrauten Finanzen rein gar nichts mehr zu tun.

Zusammenfassend gesagt, wird dieser Bürgerrat die Politikverdrossenheit nicht reduzieren, sondern noch weiter erhöhen, weil er undemokratisch ist und viele Bürger einfach nur noch denken werden: Was verzapfen die da in der Politik schon wieder und wofür geben die unser Geld aus!?

Vielen Dank!

 

Kommentare  
Dass sich die linke Schickeria verächtlich äußert, wundert mich nicht. Insofern: Prima, dass Herr Heerbeck eine bürgerliche Sichtweise vertritt. Das ist in Lüneburg dringend nötig!
Liebe Emilia, ist es „eine bürgerliche Sichtweise“, wenn Herr Heerbeck ihm noch gar nicht bekannten Bürgern im künftigen Bürgerrat mangelnde Bürgerlichkeit unterstellt, also diesen Bürger*innen vorab, ohne Gründe, aber ganz pauschal einen Mangel an Intelligenz, an Charakterfestigkeit und an kommunalpolitisch informierter Weltläufigkeit bescheinigt, indem er schreibt bzw. vor der städtischen Bürgervertretung laut und schamfrei vorgetragen hat: „Je nach Experten und Moderation kann die Meinung der Teilnehmer in jede Richtung beeinflusst werden“? Oder malte Herr Heerbeck versehentlich nur ein verräterisches Selbstporträt? Und wo sehen Sie „Verächtlichkeit“ in den LGheute-Kommentaren? Und wie kommen Sie darauf, dass die Beiträger zur „linken Schickeria“ gehören? Können Sie Ihre Vorwürfe begründen? Oder halten Sie es wirklich für „bürgerlich“, abgegriffene plakative Vorurteile herumzuposaunen und zu versuchen, Leute, die nicht Ihrer Meinung sind, mit geistleeren Worthülsen herabzuwürdigen?
Und als Argumentationsgrundlage ist die Internetseite des www. Buergerrat Hier eine Übersicht: "Zeit und Raum für echte Debatten: Die sozialen, wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Folgen von Maßnahmen können gut durchdacht und besprochen werden. Aufbau von Vertrauen: Die Teilnehmer verstehen die Arbeit der Politik besser. Sie kommen auch untereinander jenseits von Informationsblasen und Echokammern in Kontakt. Wegweiser-Funktion: Die Politik nimmt die Bevölkerung besser wahr und weiß bei konkreten Maßnahmen genau, bis wohin die Bürgerinnen und Bürger mitgehen können und wollen. Mehrheitsfähige Lösungen werden sichtbar. Mehr als Meinungsumfragen: Bürgerräte ermöglichen inhaltliche Vertiefung, Auseinandersetzung mit Fachwissen, Diskussion und persönlichen Austausch."
Alles völlig richtig, Frau Szymanski! Und selbst Herrn Heerbecks einziges echtes Argument, es seien "die demokratisch gewählten" Mitglieder des Stadtrates die eigentliche Bürgervertretung und daher sei "das Zusatzorgan eines Bürgerrats nicht nötig", verfängt nicht, denn der politische Frischling Heerbeck, der erst seit neun Monaten als Monika Scherf-Nachrücker mit dabei ist, scheint noch nicht erfahren zu haben, wie ungemein rigide die knallende, knorrige Knute christdemokratischer "Fraktionsdisziplin" auf gernbehauptete "Bürgernähe" und augenrollend beschworene "Politikverdrossenheit" pfeift, wenn diese ewig aufgerufenen Ammenmärchengespenster aus Biertischthetorik und Sonntagsreden mit den realen wirtschaftlichen Interessen führender Parteigrößen zu kollidieren drohen. Gegen solche undemokratische Gehorsamsnötigung durch rohen Gruppendruck sind Bürgerräte immun, denn sie können sich eine eigene Meinung leisten. Das bringt hoffentlich Tageslicht und Frischluft ins vermuffte Getriebe!
Über Ihren Kenntnisstand der lokalen Politik verfüge ich leider nicht , Frau Brammer, gleichwohl liest es sich spannend. Und die "flammende" Rede ergibt vor diesem Hintergrund natürlich Sinn .. muss man(n) sich als "Neuling" doch positionieren. Die Bundespolitiker*innen zeigen uns ja fast täglich, dass sich Positionen am Besten durch "Gegenstromargumente" erlangen lassen. Dann ist es zwar nicht immer demokratisch gedacht, aber es wird über und von einem gesprochen ! :-) Vor diesem Hintergrund wundere ich mich dann auch nicht mehr über die angeführten Argumente des Herrn Heerbeck.
Nur ein Beispiel, Frau Szymanski, am 16. Oktober 2020 hieß die LZ-Schlagzeile: "Lüneburger CDU-Ratsfrau wechselt zu den Grünen". Sonja Jamme, "die 2014 wegen der Politik von Angela Merkel, der CDU beigetreten war", begründete ihren Schritt merkwürdig schwammig damit, dass sie sich "mit der programmatischen Ausrichtung des CDU-Stadtverbands und den Ansichten einiger seiner Protagonist*innen" immer weniger habe identifizieren können: "Das Verharren in alten patriarchalischen Mustern und immer wiederkehrende Diskussionen um Selbstverständlichkeiten ... haben mir die Arbeit im CDU Stadtverband und in der Fraktion zunehmend verleidet. Mit einer solchen rückwärtsgewandten Politik können die anstehenden großen Zukunftsaufgaben nicht bewältigt werden", heißt es in ihrer Erklärung. Einen Monat später, am 25. November 2020, titelte Herr Stüwe bei LG heute: "Wienebüttel lässt Jamaika zerbrechen". Dort wurd's dann konkret. Es ging ums Bauen, um Baulöwen, Bautermine und den Vorsitz im Bauausschuss.
Welch "flammende" Rede gegen die Beteiligung von Bürgerräten an demokratischen Prozessen in Lüneburg. Gleichwohl, wie schade, dass den Bürger*innen der Hansestadt so wenig demokratischer Handlungs,- und Beteiligungsspielraum von der CDU eingeräumt werden soll, oder liegt es etwa daran, dass die Stadtgesellschaft in Lüneburg unmündiger und leichter zu manipulieren ist als die Bürger*innen anderer Städte und Kommunen. Trauen wir alle doch den Betreffenden mehr Interesse an demokratischen Strukturen zu und / oder zeigen uns einfach bereit, auch Menschen, die bisher politikfern oder gar politikverdrossen sind "mit ins Boot" zu holen ! Politik - auch auf kommunaler Ebene ist doch kein Zauberwerk, zeigen wir die Bereitschaft den Querschnitt der Gesellschaft zu beteiligen und uns (Kommunalpolitiker*innen) und unsere Entscheidungen auch einmal hinterfragen zu lassen. So kann gelebte Demokratie funktionieren und nur so !
Was für ein abstoßend jämmerliches Menschenbild, verkündet vom ganz hohen Ross selbstherrlicher Arroganz herunter liegt einer Aussage wie dieser zugrunde: „Je nach Experten und Moderation kann die Meinung der Teilnehmer in jede Richtung beeinflusst werden“! Heißt das nicht, „Bürger“ sind dumme Elemente einer leicht knetbaren Manipulationsmasse, die von Überlegenheitskoryphäen wie Herrn Burghard Heerbeck zu ihrer eigenen Sicherheit außerhalb von Mitsprache- und Mitentscheidungsfunktionen betreut werden müssen? Nur ein Bürger, der von anderen Bürgern in den Rat gewählt wurde, verwandelt sich sofort in eine einflussresistente Durchblickernatur? • • • Eingeschränkt ernst zu nehmen ist dies: „Was aber ist demokratisch? Es sind die demokratisch gewählten Vertreter dieses Rates. Wir sind alle für die Bürger zu jedem Thema ansprechbar und wir tagen öffentlich. Das Zusatzorgan eines Bürgerrats ist nicht nötig.“— Warum aber sind dann die zahlreichen anderen Beiräte in Rat und Kreistag nötig?
Sehr geehrter Herr Lachmann oder wie immer Sie heißen, Sie fallen regelmäßig mit persönlich verächtlich machenden Bemerkungen auf, die auf LGheute nichts zu suchen haben. Wir möchten Sie bitten, dies künftig zu unterlassen. Anderweitig werden wir Ihre Kommentare auf LGheute unterbinden. Mit freundlichem Gruß LGheute-Redaktion
Sehr geehrter Herr Stüwe, ich beklage doch gerade "die Verächtlichkeit", die oben in dem von mir monierten Satz zum Ausdruck kommt. Dennoch gelobe ich Besserung! Ich hätte das Menschenbild, das jener Aussage zugrunde liegt, vielleicht nicht "abstoßend jämmerlich", sondern besser "bedenklich" oder "seltsam" nennen sollen. • • • Anderes Thema: "Anderweitig" ist mal ein Adjektiv-, mal ein Adverbialattribut mit den Bedeutungen (A) "sonstig" (anderweitige = sonstige Interessen), (B) "sonstwo" (anderweitig = sonstwo wohnen), (C) "sonstwohin" (einen Auftrag anderweitig = sonstwohin vergeben). Die Wortart, die Sie (vermutlich) verwenden wollten, gehört zu den Konjunktionaladverben. Die haben dieselbe (verbindende, jedoch nicht spezifizierende) Funktion wie Konnektoren und Konjunktionen. Der Unterschied zu diesen ist, dass jene immer am Satzanfang eines zweiten Hauptsatzes stehen. Ein für Sie passender Kandidat wäre "andernfalls".
Da haben Sie recht. Es hätte "Andernfalls" heißen müssen.
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