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Aufgelesen: Verteidigen?

Der Überfall auf die Ukraine offenbart, worüber Deutschland meinte, nicht mehr nachdenken zu müssen

Foto: LGheute01.03.2022 - Die Bilder, die in diesen Tagen aus der Ukraine kommen mit einrollenden russischen Panzern und Raketenbeschuss, sind erschütternd. Einerseits. Denn zugleich zeigen sie, wie ein Land, eine Nation aufsteht und sich seinen Aggressoren entgegenstellt. Stehende Ovationen gab es dafür kürzlich im Bundestag und auch heute im Europäischen Parlament. Doch was, wenn der Krieg plötzlich auch vor Deutschlands Grenze steht? Man will es sich nicht vorstellen. Schon deshalb nicht, weil dieses Land nicht annähernd die Kraft hätte, mit der die Ukraine gerade um ihr Überleben kämpft.

Als der Generalinspekteur des Heeres, Alfons Mai, vor wenigen Tagen erklärte, die Bundeswehr stehe "blank" da, war die Schockwelle, die er damit auch in der Bevölkerung auslöste, durchschlagend wie eine Panzerabwehrrakete. Dabei hatte er nur ausgesprochen, was seit vielen Jahren bekannt ist: die Ausstattung der Bundeswehr ist katastrophal, die Truppe auf Einsätze am Hindukusch, aber nicht auf Landesverteidigung ausgerichtet. Eine Kampftruppe von 200.000 Mann wäre damit allein ohnehin nicht in der Lage.

Kampftruppe. Allein der Begriff flößt vielen Menschen in diesem Land Angstgefühle ein. Mit Krieg möchte man nichts zu tun haben, dagegen gehen Abertausende auf die Straße und setzen Zeichen, mal als Menschenkette und mal mit Kerzen in der Hand.

Doch kämpfen und das eigene Land verteidigen? Hierzulande offenbar undenkbar, wie kürzlich das ZDF demonstrierte. Für den Sender ist mit Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine allabendlich Katrin Eigendorf zu sehen. Die ZDF-Korrespondentin berichtet live aus der Ukraine, ist meist dort, wo die Situation dramatisch ist, sei es in der umkämpften Hautstadt Kiew oder nah der Grenze zu Polen, wohin viele Ukrainer in ihrer Not flüchten. Es sind fast ausnahmlos Frauen und Kinder, die Schutz in dem Nachbarstaat suchen, aber auch viele ältere Menschen. Denn Männer im Alter zwischen 18 und 60 verteidigen ihr Land – weil es befohlen ist, ja, aber auch, weil sie ihr Land und damit die Heimat ihrer Familien, ihrer Frauen und Kinder beschützen wollen.  

Katrin Eigendorf scheint das Verantwortungsgefühl dieser jungen Männer fremd zu sein. "Sie müssen hier bleiben", sagt sie hörbar bedauernd, und es klingt, als wollte sie sagen: Wenn die jungen Männer könnten, wie sie wollten, würden wohl auch sie lieber gehen. Für eine ZDF-Reporterin ist offenbar unvorstellbar, dass es eine Bereitschaft zur Verteidigung gibt. 

Dieses Denken entspricht einer Haltung, die Deutschland sich über viele Jahrzehnte meinte leisten zu können: Nicht man selbst ist für die eigene Verteidigung zuständig, sondern andere. Doch während der Schutzschirm der Nato mit seiner US-amerikanischen Dominanz bis heute wie selbstverständlich in Anspruch genommen und auch erwartet wird, konnte sich die deutsche Friedensbewegung mit ihrer Ablehnung militärischer Gewalt jahrzehntelang auf eine breite Zustimmung in der Politik und in großen Teilen der Gesellschaft stützen – mit Flankenschutz von den Medien. Was dabei gern ausgeblendet wurde: Auch die Länder, die immer bereit waren, Deutschlands Sicherheit, Deutschlands Wohlstand und Deutschlands Friedensbewegung zu verteidigen, wären dazu nicht ohne ihre jungen Männer und Familienväter in der Lage.  

Der Krieg in der Ukraine könnte insofern tatsächlich zu einer "Zeitenwende" werden, wie es von vielen Politikern in diesen Tagen zu hören ist. Auch als Chance zu erkennen, dass ein Krieg mehr auslöst als die Frage, wohin man flüchten kann. 

 

 

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