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Aufgelesen: Abenteuer Pronomen

Foto: LGheute24.06.2022 - Kürzlich erhielt ich eine E-Mail von einem Mitglied des Lüneburger Stadtrats. Es ging um die gestrige Ratssitzung, zu der das Mitglied vorab mitteilte, dass alle demokratischen Parteien des Lüneburger Stadtrats sich erfreulicherweise für die Reaktivierung der Bahnstrecken nach Bleckede und Amelinghausen aussprechen – demnach also auch die AfD. Respekt, so viel Demokratieverständnis ist heute nicht mehr selbstverständlich. Gestolpert bin ich aber über etwas anderes: seine "Pronomen", die der Absender meinte erwähnen zu müssen.

"Meine Pronomen sind er | ihm | sein. Bitte teilen Sie mir mit, wie ich Sie ansprechen darf." So stand es unter der Namens- und Funktionszeile des Absenders, der sich mir als Landratskandidat und Fraktionsvize und als "Sprecher für Schule, Jugend und Queer" vorstellte. 

Aus Schulzeit und Studium ist mir noch geläufig, dass "Pronomen" für Fürwörter stehen, also anstelle eines Hauptwortes oder Dingwortes, wie man früher gern sagte. Statt also nicht immer wieder "Stadtratsmitglied" sagen zu müssen, kann man sich auch des Personalpronomens "es" bedienen. Wenn es also beispielsweise um des Stadtratsmitglieds Antrag geht, "den" (Relativpronomen) "es" (das Stadtratsmitglied; Personalpronomen) in den Rat der Stadt einbringt, ist meist "es" (das Stadtratsmitglied; Personalpronomen) "es" (Indefinitpronomen), "das" (Relativpronomen) "ihn" (den Antrag; Reflexivpronomen) im Rat auch vorträgt und gegebenenfalls verteidigt.

Um unangenehme Überraschungen während der Sitzung zu vermeiden, macht "es" (das Stadtratsmitglied; Personalpronomen) "sich" (Reflexivpronomen) bereits zuvor auf die Suche nach weiteren Unterstützern für "seinen" (Possessivpronomen) Antrag. Ist "es" (das Stadtratsmitglied; Personalpronomen) dabei erfolgreich, hat "sein" (Possessivpronomen) Antrag oft mehrere Unterzeichner, die fortan von "ihrem" (Possessivpronomen) Antrag sprechen. In der Ratssitzung  scharen "sie" (die Unterzeichner; Personalpronomen) "sich" (Reflexivpronomen) dann gern zusammen, um "ihre" (Possessivpronomen) Widersacher argumentativ oder lautstark von "ihren" (Possessivpronomen) Argumenten zu überzeugen.

Gelegentlich kommt "es" (Indefinitpronomen) dabei schon mal vor, dass ein Unterzeichner oder eine Unterzeichnerin "seinen" (Possessivpronomen) oder "ihren" (Possessivpronomen) Antrag doch nicht mehr so überzeugend findet und "sich" (Reflexivpronomen) "ihm" (Reflexivpronomen) nicht mehr anschließen mag und "sich" (Reflexivpronomen) bei der Stimmabgabe entsprechend verhält. Ob es sich dabei um "ihn" (das männliche Stadtratsmitglied; Personalpronomen) oder "sie" (das weibliche Stadtratsmitglied; Personalpronomen) handelt, ist nicht von Belang, "wir" (Personalpronomen) leben ja in einer Demokratie, in "der" (Relativpronomen) Männer und Frauen vor dem Gesetz gleich sind.

Bei der Abstimmung schließlich votiert "er" oder "sie" dann entweder gegen "ihn" oder enthält "sich" (Reflexivpronomen) der Stimme, je nachdem, ob "sie" (die Abtrünnigen; Personalpronomen) die Gegenseite überzeugender und "deren" (Possessivpronomen) Argumente stichhaltiger finden oder ob "sie" (Personalpronomen) "es" (Indefinitpronomen) "sich" (Reflexivpronomen) nur nicht mit "ihnen" (den Unterzeichnern; Reflexivpronomen) verscherzen wollen.

Wenn mir also jemand mitteilt, dessen Pronomen seien "er", "ihm" und "sein", finde ich es zunächst einmal bedauerlich. Warum nur die Drei? Dann bin ich zudem gespannt, wie "er" oder "sie" bei "seinem" oder "ihrem" Antrag mit diesen Dreien klarkommen will. Das zu lesen, wird bestimmt ein Vergnügen. 

Ach ja, da war ja noch die Frage, wie ich angesprochen werden möchte. Ich wähle mal das Personalpronomen im Pluralis Majestatis. 

 

 

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