Der Rücktritt von Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten hat bei den Politikern der Hansestadt ein nahezu einhelliges Echo ausgelöst. Auch der Landkreis gab dazu eine Erklärung ab. Von Vielen wurde dieser Schritt als überfällig, zumindest als notwendig und konsequent bezeichnet. Christian Wulff hatte heute Vormittag in Berlin seinen Rücktritt erklärt, da das Vertrauen der Bevölkerung in ihn "nachhaltig beeinträchtig" sei, wie er in seiner Erklärung mitteilte.
Landrat Manfred Nahrstedt bezeichnete den Rücktritt für die Familie Wulff als sehr tragisch. Ob der Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt richtig sei, wollte Nahrstedt nicht beurteilen, da er die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft inhaltlich nicht einschätzen könne. "Allerdings fand ich es schon grenzwertig, was in den letzten Wochen alles ans Licht gekommen ist", sagte Nahrstedt. Mit Blick auf die kommende Wahl eines neuen Bundespräsidenten hofft Nahrstedt, "dass der nächste Bundespräsident einvernehmlich von allen Parteien getragen wird."
Oberbürgermeister Ulrich Mädge bedauert Wulffs Entscheidung. "Ich bedauere den Rücktritt von Herrn Wulff, weil ich ihn auch persönlich kenne. Doch aus Respekt vor dem Amt blieb ihm kein anderer Schritt übrig." Er empfahl, jetzt in Ruhe nach einem geeigneten Kandidaten oder Kandidatin zu suchen, der die "besonderen Anforderungen dieses Amtes erfüllt und von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen wird." Als möglichen Weg dazu regte Mädge eine Änderung des Wahlmodus für den Bundespräsidenten an: "Warum nicht sogar in einer Direktwahl durch die Bürgerinnen und Bürger?“
Für Heiko Dörbaum, SPD-Fraktionschef im Lüneburger Stadtrat, hat Wulff jetzt "die notwendigen Konsequenzen gezogen". Er hätte sich aber gewünscht, dass Wulff frühzeitiger für mehr Klarheit gesorgt hätte, "ihm wäre dann vielleicht manches erspart geblieben", so Dörbaum. Jetzt habe es keine andere Möglichkeit mehr gegeben, Schaden abzuwenden. Zugleich, so Dörbaum, bleibe anzuerkennen, dass Wulff Deutschland als Bundespräsident stets gut repräsentiert habe. Dem nächsten Kandidaten oder Kandidatin wünscht Dörbaum, dass dieser eine möglichst große Mehrheit in der Bundesversammlung auf sich vereinigen könne. Er hoffe, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Versprechen halte und auf alle Parteien zugehe, um einen für Alle tragfähigen Kandidaten vorschlagen zu können. Wie dieser Kandidat oder die Kandidatin aussehen solle, verriet Dörbaum auch: "Wir brauchen eine honorige Persönlichkeit mit hoher Ausstrahlungs- und Integrationskraft."
Eckhard Pols, CDU-Bundestagsmitglied und Vorsitzender der Kreis-CDU, bezeichnete den Rücktritt als richtig. "Die Vorwürfe gegen Christian Wulff haben in den letzten Wochen die Ausübung des Amtes des Bundespräsidenten sehr stark belastet, so dass der Bundespräsident nicht mehr länger als Integrationsfigur für das gesamte Volk wirken konnte. Insofern ist der Rücktritt aus diesen Gründen die richtige Konsequenz." Zugleich will Pols diesen Schritt nicht als "Schuldeingeständnis" gewertet wissen, denn es gelte "auch für Christian Wulff wie für alle anderen Menschen die Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen wird." Nun komme es darauf an, "dass als Nachfolgerin oder Nachfolger eine Persönlichkeit gewählt wird, die imstande ist, auch als moralische Instanz wichtige gesellschaftliche Impulse zu geben", empfahl Pols.
Deutlichere Worte fand die Lüneburger FDP. Für Frank Soldan, Vorsitzender des FDP-Stadtverbands, sei der Schritt längst überfallig gewesen: "Wulff hätte viel früher Konsequenzen ziehen sollen", sagte Soldan. Seine Parteikollegin und Ratsfrau Birte Schellmann warf Wulff sogar vor, "durch sein Verhalten beträchtlichen Schaden angerichtet zu haben". Auch könne sie seine Erklärung nicht nachvollziehen, da sein Verhalten eben nicht immer aufrichtig gewesen sei. "Offensichtlich hat Wulff nicht verstanden, mit welchen Menschen man sich nicht umgeben darf. Ihm fehlte die Distanz, um in diesem Amt völlig unabhängig entscheiden zu können", sagte Schellmann. Sie erwarte nun, dass für die Nominierung des nächsten Bundespräsidenten ein parteiübergreifender Konsens gefunden werde.
Auch für Jens Kiesel von der Rentnerinnen und Rentner-Partei (RRP) war der Rücktritt Wulffs längst überfällig. "Es ist nicht unbedingt entscheidend, ob die Vorwürfe am Ende begründet sind oder nicht. Allein die anhaltende Diskussion um mögliche Verfehlungen waren dem Amt nicht würdig", sagte Stadratsmitglied Kiesel.
"Er war fällig", meinte auch Michèl Pauly von den Linken. "Zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz des Amtes musste er zurücktreten." Pauly regte zugleich an, noch vor der Wahl des nächsten Bundespräsidenten die Besoldungsregeln für dieses Amt zu ändern. "Der Ehrensold kommt zu teuer und zieht vielleicht manchmal die falschen Kandidaten an", gab Pauly zu bedenken, der aber die Aufregung um Wulff auch nicht so recht nachvollziehen konnte. "Wenn Deutschland keine anderen Probleme hat, geht es uns wohl nicht so schlecht", meinte der Fraktionschef der Linken mit Blick auf andere europäische Länder.
Torbjörn Bartels von der Piraten-Partei zeigte sich insgesamt enttäuscht von Wulffs Verhalten. "Wir standen lange hinter ihm, hatten aber eine lückenlose Aufklärung gefordert. Diese ist Wulff letztlich schuldig geblieben, was wir bedauern." Da Wulff auch jetzt noch nicht zu seinen Fehlern stehe, so Bartels, sei er zuletzt für die Piraten-Partei, die sich immer für Transparenz einsetze, als Bundespräsident auch nicht mehr tragbar gewesen. Bartels regte an, den kommenden Bundespräsidenten vielleicht einmal außerhalb des politischen Lagers zu suchen. "Es muss ja nicht unbedingt ein Politiker oder eine Politikerin sein. Ich kann mir genau so gut eine Persönlichkeit aus dem Kulturbereich vorstellen", schlug Bartels vor.
Nachtrag, 17.02.2012, 17:51 Uhr:
Andreas Meihsies, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Lüneburger Stadtrat, äußerte sich ebenfalls deutlich: "Wulff ist in den letzten Monaten zu einer tragischen Gestalt der deutschen Politik geworden. Er hätte viel eher Informationen herausgeben und müssen und Antworten geben sollen." Dadurch habe er zusehends an Glaubwürdigkeit verloren. "Selbst wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass sein Verhalten korrekt war, hat es das Amt beschädigt", so Meihsies, der als Bürgermeister der Hansetadt Lüneburg seit kurzem selber ein politisches Amt übernommen hat. Für die anstehende Wahl des Bundespräsidenten empfiehlt Meihsies, einen großen Konsens aller Parteien herzustellen, und schiebt nach: "Hätte man gleich den Gauck genommen, wäre uns Vieles erspart geblieben."