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Aufruhr im Senkungsgebiet

Rathaus erklärt sich zu Neubau-Projekt nach heftiger Kritik von Anwohnern

Auf diesem Eckgrundstück sollen die neuen Wohnungen entstehen. Foto: Stadt Lüneburg Lüneburg, 27.08.2025 - Dass Lüneburgs Untergrund nicht ohne ist, dürfte den meisten Lüneburgern bekannt sein. Schließlich leidet die Stadt seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts unter erheblichen Senkungen des Erdreichs im Bereich der St. Michaeliskirche, die bereits zu zahlreichen Abrissen einsturzgefähdeter Häuser führten – Folge des jahrhundertelangen Salzabbaus, der Lüneburg einst reich und mächtig machte. Inzwischen unternimmt die Stadtverwaltung mit hohem finanziellen Aufwand viel, um die Folgen dieser historischen Hinterlassenschaft möglichst gering zu halten. Umso mehr überrascht, dass nun im Zentrum des Senkungsgebiets ein Neubau-Projekt mit einhundert Wohnungen entstehen darf. Die Stadtverwaltung reagiert auf entsprechende Kritik.

Wie kann es sein, dass ausgerechnet dort, wo die Senkungsgefahren am größten sind, ein Neubau entstehen darf, dort, wo sonst nicht einmal mehr Autos fahren dürfen oder nur noch mit verminderter Geschwindigkeit, um nicht weitere Senkungen hervorzurufen? Welche Auswirkungen hat das Vorhaben auf die ohnehin gefährdeten Nachbargebäude, wenn für den Neubau auch Tiefbauarbeiten geplant sind, weil dort Stellplätze für Autos geschaffen werden sollen? Und wer trägt letztlich die Verantwortung für mögliche Schäden, auch in Folgejahren?

◼︎ Einhundert Wohnungen geplant

Fragen wie diese kamen in den letzten Wochen vermehr auf, seit bekannt wurde, dass die Stadt einen Neubau auf dem Eckgrundstück Schanzenweg/Vor Mönchsgarten genehmigt hat. Dort plant ein privater Bauherr Umbauten und mehrere Neubauten mit rund einhundert Wohnungen – eine ungewöhnliche Größe in diesem Bereich. 

Die Stadtverwaltung hat sich jetzt zu den immer lauter werdenden Kritik geäußert. Grundtenor: Man habe das Vorhaben intensiv geprüft, alles sei in Ordnung, so das Rathaus. "Wir haben in dieser Zeit viele Gespräche geführt, das Bauvorhaben der Politik vorgestellt und uns eng mit Senkungsexperten abgestimmt", sagt Stadtbaurätin Heike Gundermann. Alle Voraussetzungen für eine Genehmigung seien erfüllt. Zudem entspreche das Projekt der städtischen Strategie, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, indem bestehende Flächen verdichtet und mit der Entwicklung neuer Flächen sparsam umgegangen werde.

Doch die schiere Größe des geplanten Objekts – rund einhundert Wohnungen in einem durch Einfamilienhäuser geprägten Bereich – hat viele Anwohner auf den Plan gerufen. Sie sperren sich nicht nur gegen den übergroßen Wohnblock, sie befürchten vor allem massive Beeinträchtigungen ihrer eigenen Häuser. 

◼︎ Rathaus wiegelt ab

Doch die Stadtverwaltung wiegelt ab. Das Vorhaben sei mit einem Geologen abgestimmt, mit dem die Stadt seit vielen Jahren zusammenarbeitet. "Er hält Auswirkungen auf das Senkungsgeschehen für ausgeschlossen", so das Rathaus. Die Prozesse, die Senkungen verursachen, fänden in großer Tiefe statt – am Ochtmisser Kirchsteig nachweislich unterhalb von 120 Metern. Bauarbeiten an der Oberfläche würden diese Vorgänge nicht beeinflussen. Nur: Warum darf der Autoverkehr auf dem Ochtmisser Kirchsteig dann seit Jahren nur noch mit Tempo 20 über die Straße schleichen?

Anders als bisher angenommen, soll mit dem Gebäude auch keine mehrstöckige Tiefgarage entstehen, es sei lediglich ein Untergeschoss in drei bis maximal vier Metern Tiefe geplant. Dieser Bereich müsse laut Verwaltung ohnehin ausgehoben werden, da dort locker gelagerter Schutt vorhanden sei, der für die Standsicherheit entfernt werden müsse. Es entstehe ein Untergeschoss mit Kellerräumen, Fahrradstellplätzen, Räumen für Haustechnik und Stellplätzen für Autos.

◼︎ Stadt sieht Bauherrn in der Pflicht

Hinsichtlich möglicher Regressansprüche sieht sich die Stadt zumindest nicht in der Pflicht. Sie sieht die Verantwortung beim Bauherrn und externen Prüfingenieuren. "Die Stadt hat dem Bauherrn ein Beweissicherungsverfahren empfohlen, das er auch umsetzt. Es dient dazu, mögliche zivilrechtliche Schadensersatzansprüche von Nachbarn prüfen zu können. Eine rechtliche Grundlage, ein solches Verfahren verpflichtend anzuordnen, gibt es im öffentlichen Baurecht jedoch nicht", so das Rathaus. 

Die Frage bleibt, warum die Stadt ausgerechnet in einem Gebiet, das extrem durch Senkungen betroffen ist und dessen Bewohner seit Jahren große Sorgen um ihre Wohnungen und Gebäude haben, ein Objekt mit einhundert Wohnungen genehmigt. Und warum seit Monaten im Neubaugebiet Am Wienebütteler Weg nichts vorangeht? 

 

 

 

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