Die Bahn präsentiert ihre Vorzugsvariante Hamburg-Soltau-Bergen-Hannover – Geteiltes Echo von der Politik
Berlin, 27.06.2025 - Die Entscheidung für den Bau einer neuen Bahntrasse zwischen Hamburg und Hannover ist gefallen, zumindest aus Sicht der Deutschen Bahn (DB). Das Unternehmen stellte heute seine Vorzugsvariante vor, die zweigleisig von Hamburg über Soltau und Bergen nach Hannover führen soll. Sie soll die Bestandsstrecke über Lüneburg, Uelzen und Celle entlasten, die ihrerseits einer Generalsanierung unterzogen werden soll. Die Pläne, über die letztlich der Bundestag zu entscheiden hat, lösten unterschiedliche Reaktionen aus.
29 Varianten seien im Rahmen der heute vorgestellten Vorzugsvariante geprüft worden, sowohl entlang der Bestandsstrecken als auch neue Streckenführungen, teilten Vertreter der Bahn heute in einer kurzfristig anberaumten Online-Pressekonferenz mit. Vier dieser Varianten seien "tiefergehend" geplant und anhand von knapp 200 Kriterien gutachterlich abgewogen worden.
Aus Sicht der DB erfülle der Neubau von Hannover nach Hamburg über Bergen die Kriterien für den Deutschland-Takt und das Ziel, mehr Platz auf den Gleisen für mehr Züge im Nah-, Fern- und Güterverkehr zu schaffen. Der reine Ausbau der Bestandsstrecke habe sich trotz intensiver Prüfung indes als "deutlich unterdimensioniert" herausgestellt. Außerdem bringe der Neubau zusätzliche Potenziale für neue Nahverkehrshalte wie etwa im Heidekreis. Auf der bestehenden Trasse zwischen Hannover und Hamburg werde so Platz für ein "besseres und zuverlässigeres Nahverkehrsangebot" geschaffen.
Laut der DB zählt die Strecke Hannover-Hamburg heute mit einer Auslastung von 147 Prozent zu den am stärksten überlasteten und damit unpünktlichsten Strecken Deutschlands. Der Bund prognostiziere auf dieser Achse zudem steigende Zugzahlen sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Die Strecke habe erhebliche Auswirkungen auf die Qualität im gesamten Schienennetz in Deutschland.
◼︎ Zwanzig Jahre schneller
Für einen Neubau spreche zudem der Faktor Zeit. Während die DB für den Ausbau der Bestandsstrecke einen Zeitraum bis Ende der 2050er Jahre ansetzte, würden für den Neubau rund zwanzig Jahre weniger benötigt. "Wenn es einigermaßen gut geht und strukturiert läuft, ist es in vier bis fünf Jahren zu schaffen", sagte Matthias Hudaff, Leiter Großprojekt ABS/NBS Hannover-Hamburg bei der DB InfraGO, in der Pressekonferenz. Zu den Kosten für die Neubaustrecke wollte sich die DB heute nicht äußern, dies sei dem Bericht für den Deutschen Bundestag vorbehalten, der noch in diesem Jahr vorgelegt werden soll. In der parlamentarische Befassung sollen dann auch Forderungen aus der Projektregion Bestandteil sein.
Bis zum Bau der Neubaustrecke sei es aber noch ein weiter Weg, so die DB. Das Unternehmen will deshalb an der bestehenden Strecke erst einmal mit einer Qualitätsoffensive im kommenden Jahr starten, gefolgt von einer umfassenden Generalsanierung der Strecke im Jahr 2029. Parallel könnten die Planungen für die Neubaustrecke starten. Die Entscheidung hierzu obliege aber dem Deutschen Bundestag.
◼︎ Kritik aus Hannover
Kritik an den Plänen der DB kommt von der Landesregierung in Hannover. Die Deutsche Bahn halte an ihren Planungen einer Neubaustrecke "entgegen aller Vereinbarungen in Niedersachsen, ohne Rückhalt in der Region und auch entgegen der früheren Ankündigungen einer Bündelung mit vorhandenen Verkehrswegen" fest, teilte Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) mit.
Aus Sicht des Verkehrsministers verlaufe die heute veröffentlichte Neubauplanung abseits vorhandener Infrastruktur und bringe den Menschen vor Ort nichts: keine Bahnhöfe, kein Fernverkehrsanschluss, stattdessen mehr Güterverkehr ohne Lärmschutz auf den heutigen Strecken. Und selbst am Zielpunkt in Hamburg fehle derzeit die Anschlusskapazität – der Knoten sei längst überlastet. Auch in einen "möglicherweise klugen Deutschlandtakt" passe das Konzept nicht. "Es bleiben also sehr viele Fragezeichen", so Tonne.
Auch der Projektbeirat Alpha E, der sich seit Jahren für den Ausbau der Bestandsstrecke einsetzt, kritisiert die DB-Pläne. In den letzten neun Jahren habe die DB zunehmend die Umsetzung von Alpha E blockiert, jetzt solle komplett auf eine Neubaustrecke umgeschwenkt werden. "Dieses Vorgehen ist umso absurder, als dass die aktuelle Verkehrsprognose für 2040 nicht höhere, sondern deutlich geringere Güterverkehre voraussagt als ursprünglich für 2030 prognostiziert", teilte der Projektbeirat mit.
◼︎ Zustimmung von Stadt und Landkreis Lüneburg
"Als Landkreis Lüneburg begrüßen wir diese richtige und wichtige Entscheidung der Bahn ausdrücklich", erklärt Landrat Jens Böther (CDU). Die Neubaustrecke sei für die Region, ihre wirtschaftliche Entwicklung und für das gesamte norddeutsche Schienennetz "zwingend erforderlich", auch bedeute sie eine Entlastung für die hiesigen Pendler.
Positiv stimme ihn auch ein weiterer Aspekt: "Die Bahn wird vor Bekanntgabe ihrer Entscheidung Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium geführt haben. Das macht mich zuversichtlich, dass auch der weitere Weg der Entscheidungsfindung im Bundestag erfolgreich sein wird, sodass letztlich die Entscheidung für den Streckenneubau stehen wird."
Böther zufolge profitiere der Landkreis sogar doppelt: Durch den Neubau werde die bislang überlastete Strecke Hamburg-Hannover langfristig zu einer leistungsfähigen und zukunftsweisenden Verbindung. "Der alte Abschnitt wird demnächst generalsaniert und auch künftig werden am Bahnhof Lüneburg ICEs halten", so Böther. Das bestätigten heute auch die Bahn-Vertreter.
"Die jetzt von der Deutschen Bahn vorgestellten Bewertungsergebnisse zeigen, was die Hansestadt Lüneburg seit Jahren gut begründet und gefordert hat: den Neubau der Bahntrasse im Wesentlichen parallel zur A7", sagt Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Wer die Schiene in Norddeutschland wirklich zukunftsfähig machen will, komme um den Neubau nicht herum, so Kalisch. Künftige Verkehrsbedarfe könnten nur über eine Neubaustrecke bewältigt werden. Sie sei deshalb auch "erleichtert, dass die Deutsche Bahn das jetzt auch so klar kommuniziert hat".
◼︎ "Infomärkte" in den Regionen geplant
Im Herbst palant die Projektgruppe eine Tour durch die Region, um den Landkreisen und Kommunen detaillierte Karten und Inhalte etwa zum Lärmschutz vorzustellen und die Meinungen der Menschen in der Region aufzunehmen. Diese Termine sind vorgesehen:
- 09.09.2025: Landkreis Heidekreis
- 11.09.2025: Landkreis Harburg
- 16.09.2025: Landkreis Celle
- 18.09.2025: Region Hannover
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