Kommunen lehnen Ausbau der bestehenden Bahnstrecke Hamburg-Hannover ab
Lüneburg, 22.11.2022 - Wird künftig noch mehr Bahnverkehr durch Lüneburg geleitet? Über diese Frage soll im Sommer 2023 kein geringerer als der Deutsche Bundestag entscheiden. Konkret geht es darum, ob die Bahnstrecke Hamburg-Hannover mehrspurig ausgebaut und damit die heftig umstrittene "Alpha E"-Variante umgesetzt werden soll. Doch die Zeichen gehen in eine andere Richtung.
Eine der wichtigsten Entscheidungen für den Bahnverkehr in Norddeutschland steht bevor: Im Sommer 2023 soll der Bundestag über die Bahnstrecke Hamburg-Hannover, also die Umsetzung von Alpha E und Alternativen dazu, abstimmen. Die Deutsche Bahn nimmt dafür wie berichtet planerisch vier Lösungswege genau unter die Lupe und vergleicht sie miteinander.
Zwei dieser Trassen verlaufen mitten durch den Landkreis Lüneburg: Die Bestandsstrecke zwischen Hamburg und Hannover sowie eine Umfahrung, die bei Radbruch von der Hauptstrecke abzweigt, bei Reppenstedt und Melbeck verläuft und bei Suderburg im Landkreis Uelzen zurück auf die Hauptstrecke geführt wird.
Um genau diese Umfahrung ging es bei der Kommunalen Werkstatt der DB Netz AG vor wenigen Tagen, an der neben Jens Böther, Landrat des Landkreises Lüneburg, auch Vertreter der Stadt Lüneburg sowie der Samtgemeinden Bardowick, Gellersen und Ilmenau vertreten waren.
◼︎ Keiner will die Bahn vor den Tür haben
Das Problem: Keiner der an der bestehenden Trasse gelegenen Kommunen will den zunehmenden Bahnverkehr vor der eigenen Haustür haben, ebenso wenig die Kommunen entlang einer offenbar immer realistischer werdenden Neubaustrecke entlang der Autobahn A7. Nur: Wo soll der zunehmende Bahnverkehr letztlich stattfinden?
Aufschluss darüber erhofften sich die kommunalen Vertreter von der DB Netz AG – und sie wurden offenbar nicht enttäuscht. "Die Planung ist schon sehr detailreich", sagt Landrat Böther. "Es ging um aktualisierte Pläne der Kommunen, Brückenbauwerke, Schallschutz und die Einfädelung." Aus seiner Sicht sei bereits jetzt deutlich, dass ein Neubau entlang der A7 wirtschaftlicher und auch für die Zukunft tragfähiger sei. "Über diese Schienen muss der Bahnverkehr zwischen Hamburg und Hannover für die kommenden hundert Jahre rollen – das funktioniert weder auf der Bestandsstrecke mitten durch Lüneburg noch durch eine Umfahrung im dicht besiedelten Speckgürtel", so Böther.
◼︎ "Samtgemeinde wird zerschnitten"
Dies sehen auch die Vertreter der anderen Gemeinden so, die an dem Treffen teilgenommen haben. So findet Arndt Conrad, Erster Samtgemeinderat der Samtgemeinde Bardowick, dass die vorgestellten Planungen der Deutschen Bahn zur Umfahrung von Lüneburg "erkennbar nicht realisierbar" sind. "Sie zerschneiden die Samtgemeinde Bardowick und beeinträchtigten die Menschen in Bardowick, Vögelsen und Radbruch massiv und werden abgelehnt."
Deutlich lehnt auch Steffen Gärtner, Bürgermeister der Samtgemeinde Gellersen, solche Pläne ab: "Die Deutsche Bahn baut im Auftrage des Bundesverkehrsministeriums weiter Luftschlösser, statt den Schienenausbau in der Region ernsthaft voranzutreiben. Eine neue Bahntrasse, die zwischen Lüneburg und Reppenstedt verläuft, ist auch durch das neue Baugebiet Schnellenberger Weg unsinnig. Dort werden bereits im kommenden Jahr viele Menschen in ihren eigenen vier Wänden leben. Auch der geplante Standort der kommunalen Kindertagesstätte wäre betroffen. Der Bundestag muss diesem unsäglichen und realitätsfremden Planungsprozedere endlich den Stecker ziehen."
Und auch Peter Rowohlt, Bürgermeister der Samtgemeinde Ilmenau, sagt: "Der Termin zur kommunalen Planungswerkstatt hat aus meiner Sicht nur noch einmal unterstrichen, dass eine enge Westumfahrung Lüneburgs unter anderem durch die Samtgemeinde Ilmenau inzwischen unmöglich geworden ist. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, hat diese Signale auch bei den Vertretern der DB vernehmen können."
◼︎ Parlamentarisches Verfahren soll 2023 beginnen
Und nicht zuletzt wendet sich auch Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch gehen die vorgestellten Pläne: "Die DB hat uns ausschließlich die bestandsstreckennahe Variante im Detail dargestellt. Auch wenn noch Angaben fehlten, so zum Beispiel zu den Höhenplanungen, haben wir erhebliche Bedenken gegen die bestandsnahe Trassenvariante." Weil das Stadtgebiet von Lüneburg deutlich betroffen wäre, gelte es, genau abwägen, welche Vor- und welche Nachteile die vorgestellte Lösung gegenüber möglicherweise anderen Alternativen bringe, so Kalisch.
Der Ausbau der Bestandsstrecke habe "erhebliche Eingriffe in Lüneburger Bausubstanz", folgert Kalisch aus den vorgelegten Plänen. Die verkehrliche Perspektive sei aus Lüneburger Sicht "fraglich".
Die DB hat angekündigt, in der ersten Jahreshälfte 2023 in das parlamentarische Verfahren dazu einzusteigen. Lüneburg werde die Zeit nutzen, "um alle bisher vorgelegten Informationen ausführlich zu bewerten und voraussichtlich im Januar 2023 eine aktuelle Positionierung des Rates der Stadt dazu herbeizuführen", so die Oberbürgermeisterin.
◼︎ Vier Gleise erforderlich
Landrat Jens Böther betont zugleich, sich nicht gegen ein "faktenbasiertes, fachlich fundiertens Verfahren" zu stellen, auch wenn der Landkreis davon selbst betroffen sein sollte. Dazu sei aber ein Raumordnungsverfahren unverzichtbar. "Die Planungen der Bahn dazu gehen in die richtige Richtung", ist Böther überzeugt. Zwischen Hannover und Hamburg seien durchgängig vier Gleise notwendig – "und die sind wohl nur mit einem Neubau zu realisieren", also parallel zur A7.