29.06.2023 - Das muss man sich trauen, vor allem als grüne Oberbürgermeisterin. Dass Claudia Kalisch sich für einen Mann, noch dazu von der CDU, als neuen Stadtkämmerer für Lüneburg entschied, verdient Respekt. Doch dieser dürfte von den meisten Grünen vermutlich als vergifteter Beifall von der falschen Seite verstanden werden. Denn es fällt nicht schwer sich auszumalen, unter welch ideologischen Verbiegungen die grüne Stadtratsfraktion dem eigenmächtigen Vorschlag letztlich zustimmte.
Die Wahl des neuen CDU-Stadtkämmerers war für die Grünen letztlich nichts anderes als die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder man stimmt dem Vorschlag der grünen Oberbürgermeisterin zu und verlässt damit das selbst auferlegte Diktat weiblicher Vormachtstellung in der Ämterbesetzung, oder man lässt die von den Grünen ins Amt gewählte grüne Oberbürgermeisterin bei entscheidender Personalentscheidung im Regen stehen – beides auf offener Bühne.
Und beides ist für die Grünen gefährlich und wird wohl nicht folgenlos bleiben. Denn die Abkehr von bislang nicht hinterfragten Grundsätzen – nichts anderes ist die Wahl eines CDU-Mannes in ein grünes Rathaus –, löst Fragen aus. Die entscheidende lautet: Warum wurden keine Frauen vorgeschlagen? Sind sie für das Amt nicht befähigt?
Einer solchen Annahme würde heute vermutlich nicht einmal die AfD zustimmen. Bei den Grünen aber müssten dabei die Alarm-Glocken läuten. Schließlich widerspricht sie jeglichem Grünen-Credo, wonach Frauen stets Vorrang im Job-Wettbewerb haben. Oder steht womöglich die Qualifikation jenseits jeglicher Geschlechterzuordnung im Vordergrund? Auch dies wäre ein Abschied von grünen Geschlechter-Phantasien.
Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch hat ihre Peronal-Entscheidung unabhängig davon durchgebracht. Ob sie damit einen langfristigen Erfolg hat, wird sich allerdings erst noch erweisen müssen – aus grüner Sicht.
Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag von "Künftig kümmert sich ein CDU-Mann um die Finanzen"