Die Politik rätselt über Deutschlands künftigen Strombedarf
25.06.2021 - Manch einer reibt sich verwundert die Augen, andere haben es wohl schon seit längerem geahnt: Deutschland steigt aus Kernernergie und Kohle aus, doch beim künftigen Strombedarf tappt die Politik voll im Dunkeln. Offenbar weiß niemand, wieviel Strom ab 2030 in Deutschland benötigt wird, auch nicht, wie die erforderlichen Mengen bereitgestellt werden können.
Der Weg für zuverlässigere Stromlieferungen auch im Jahr 2030 sei "steinig", schreibt FAZ-Redakteur Daniel Mohr in der "Frühdenker-Kolumne" auf FAZ-Online vom 23. Juni. Das hat nun offenbar auch Bundeskanzlerin Merkel erkannt, die vor Wirtschaftsvertretern am Tag der Industrie einräumte: "Wir brauchen dringend eine Prognose für den Strombedarf für das Jahr 2030." Die jetzigen Annahmen seien nicht belastbar, zitiert Mohr die Kanzlerin.
Und: Man brauche "kluge Berechnungen" über die Auswirkung der E-Mobilität und des Einsatzes von sehr viel mehr Rechnerkapazitäten, habe die Kanzlerin laut Mohr gesagt. Und weiter: Wahrscheinlich müsse der Ausbau der Stromtrassen erweitert und vor allem beschleunigt werden. Zudem sei ein deutlich größerer Ausbau der Offshore-Windenergie nötig.
Alle Achtung, möchte man bei so viel Weitsicht ausrufen. Doch die kommt erschreckend spät, zu spät. Dass kluge Berechnungen wichtig sind, wird niemand bestreiten. Allerdings war es bislang in der Regel so, dass diese vor wichtigen Entscheidungen getroffen wurden, allemal bei einer so gravierenden wie die Entscheidung für den Ausstieg aus der Kern- und Kohleenergie.
Was die Spitzenvertreter der Industrie zu diesem Eingeständnis sagten, hat Mohr leider nicht berichtet. Sie dürften ohnehin längst Pläne in der Tasche haben, wie sie ihre Geschäfte auch außerhalb von Deutschland fortsetzen können.