Der DJV stellt sich beim Skandal um den Rauswurf der Journalistin Julia Ruhs an die Seite des NDR
19.09.2025 - 1944, in den letzten Monaten des sich abzeichnenden Niedergangs des nationalsozialistischen Deutschland, lauschten immer mehr Deutsche, die die Durchhalteparolen von Propagandaminister Josef Goebbels nicht mehr ertragen konnten, heimlich dem deutschsprachigen Programm der BBC. Für viele war der britische Sender nicht nur eine wichtige Informationsquelle, er wurde auch als Befreiung von der Bevormundung durch den diktatorischen Nazi-Staat empfunden – Rundfunkfreiheit im Reinformat. Dass nun im Zusammenhang mit dem Rauswurf der Journalistin Julia Ruhs ausgerechnet der Deutsche Journalisten-Verband Politikern, die den Rauswurf kritisieren und mehr Meinungsvielfalt im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk einfordern, eine Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit vorgeworfen wird, ist bizarr. Und hinterlässt Fragen.
Gegenüber dem Deutschlandfunk hatte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Mika Beuster, gesagt, die von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in den Raum gestellte Forderung zum Einfrieren der Rundfunkbeiträge sei "Erpressung in Reinform". Linnemann hatte mit seiner Anregung auf den Rauswurf der Moderatorin Julia Ruhs reagiert, die ihren Stuhl räumen musste, weil sie mit ihrer Sendung "Klar" offenkundig nicht in die politische Linie des NDR passte. Die Affäre Ruhfs zieht inzwischen immer größere Kreise auch in die obersten Ebenen der Bundespolitik.
Den DJV-Vorsitzenden kümmert die zunehmende Kritik an dem Verhalten des NDR indes nicht. Im Gegenteil. Er macht, was er immer macht, wenn Medien-Kritik, selbt gerechtfertigte, laut wird: Er verweist auf die Pressefreiheit. Konkret sagt er laut Deutschlandfunk in Richtung Linnemann: "Der CDU-Generalsekretär sollte eigentlich wissen, was Rundfunkfreiheit bedeutet." Damit, und das weiß natürlich auch ein DJV-Vorsitzender, wird jede inhaltliche Kritik sofort im Keim erstickt – was ja auch Ziel der Entgegnung ist.
Allerdings bleibt die Frage offen, welches Verständnis Herr Beuster von der von ihm reklamierten Rundfunkfreiheit hat. Ist es die Freiheit, als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt politisch einseitig Position zu beziehen? Ist es die Freiheit, als Sender eine einseitige politische Agenda zu verfolgen? Ist es die Freiheit, politische Parteien nach eigenem Gutdünken zu fördern oder zu behindern? Ist es die Freiheit, hierfür monatlich zwangsweise Gebühren einziehen zu dürfen? Ist es die Freiheit, den eigenen Programmauftrag nach eigenem Ermessen festlegen zu dürfen? Ist es die Freiheit, die Intendanten-Gehälter und -Pensionen ihrer Führungskräfte bar jeder Relevanz festsetzen zu dürfen? Ist es die Freiheit, Millionen Beitrags-Euro für das Präsentationsgehabe ihrer Führungskräfte in ihrer jeweiligen Rundfunkanstalten ausgeben zu dürfen? Welche Rundfunkfreiheit meint Herr Beuster?
Von all dem ist nichts zu hören. Dass der DJV-Vorsitzende nun aber ausgerechnet denjenigen eine Verletzung der "Rundfunkfreiheit" vorwirft, die diese zu recht in Form von Neutralität und Ausgewogenheit einfordern, ist schon bemerkenswert – und inzwischen das übliche Spiel im Erfinden von Narrativen zu sein, die den eigenen Zwecken dienen.