Eine hörenswerte Sendung im Deutschlandfunk über die Tücken des politischen Journalismus
22.05.2025 - "Haltung ist was für Orthopäden." Sätze wie diesen, noch dazu von einem Journalisten und (ehemaligen) ARD-Talkshow-Moderator, hört man im Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunk selten. Frank Plasberg, eben jener Moderator, war bekannt und geschätzt für seine klaren Worte und sparte auch in der Diskussionsrunde nicht damit, die der Deutschlandfunk gestern sendete. Thema der vierköpfigen Runde war die Frage, ob Medien gegen Pluralisten machtlos sind. Die Antworten sind ebenso erhellend wie kennzeichnend.
Um es gleich vorwegzunehmen: In der Diskussionsrunde, an der neben Frank Plasberg auch die ZDF-Moderatorin Andrea Maurer, die Medienkritikerin Nadia Zaboura und der Kommunikationswissenschaftler der FU Berlin Christoph Neuberger teilnahmen, hielt man sich nicht lange mit der Frage auf, wer im politischen Spektrum der Bundesrepublik Deutschland der Populist ist. Aus ihrer Sicht klar die AfD.
Spannend waren die 45 Minuten dank Plasberg dennoch. Er überraschte nicht nur mit erfrischend klaren Antworten auf die mal mehr, mal weniger sinnfälligen Fragen, er wusste auch zielführend zu provozieren. Seine Diskussionspartner versuchten sich unterdessen mit kommunikationstheoretischen Abhandlungen zu retten. Hier die schönsten Wortbeiträge der Runde:
Maurer: "Für mich ist jetzt nicht mehr die Frage ist, ob man sie noch einlädt (gemeint ist die Einladung der AfD zu Talkrunden; Anm.d.Red.). Die Frage ist natürlich, in welcher Art man sie befragt, also ob man sie als normale Partei befragt."
Zaboura: "Das Kommunikationsziel von Populisten ist, wie gerade gesagt wurde, einerseits natürlich eine Form von 'Wir gegen Die' narrativ aufzubauen, je nachdem, welche Zielgruppe sich da gerade für eignet und instumentalisieren lässt in der öffentlich-medialen Debatte. Aber zeitgleich, und ich denke, das ist ganz wichtig und wird noch nicht ausreichend diskutiert, auch nicht in den Sendern nach meiner persönlichen Erfahrung, ist das Kommunikationsziel der Destruktion einer validen, faktenbasierten, wohlwollenden und deliberativen öffentlichen Debatte."
Plasberg: "Ich sehe die Not der Menschen, Personen wie Alice Weidel für politikfähig zu halten. Das ist für mich ein Hilfeschrei."
Plasberg: "Versuchen Sie doch mal zu sagen, ich bin keinem AfD-Wähler böse, sondern ich bin denen böse, die Platz gemacht haben für die AfD."
Plasberg (zu den Omas gegen Rechts): "Wissen Sie, das ist ganz toll, dass Sie bei Omas gegen Rechts sind. Ich finde das auch wirklich ehrenwert. Aber wenn ich jetzt Brühler bin (gemeint ist ein Bürger aus Brühl; Anm.d.Red.) und habe ein schlechts Erlebnis gehabt mit Migration, was mich beschäftigt, und da kommen Sie auf mich zu und sagen: Hallo, Herr Plasberg, ich bin von Omas gegen Rechts. Wissen Sie was Ihr Subtext ist? Ich gut, Du scheiße."
Plasberg: "Es ist nicht mehr interessant, sich zu versichern, wir sind die Guten. Und viele Journalisten tun das: Wir sind die Guten. Das ist nicht mehr zielführend." ... "Dieses verdammte Gefühl von Journalisten, auf der richtigen Seite stehen zu wollen, erreicht nur das Gegenteil."
Plasberg: "Haltung ist für mich heute oft eine Camouflage von Aktivismus. Dass man die Welt den Menschen erklärt wie sie sein sollte und nicht, wie sie ist."
Zaboura: "Es ist mitnichten so, dass Journalisten und Journalistinnen neutral wären oder keine Haltung hätten, denn sie sind Menschen."
Zaboura: "Und: Im Medienstaatsvertrag steht geschrieben, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt mit unterstützt und gefördert und die Meinunsgpluralität abgebildet werden soll. ... Das erklärt auch, warum es im deutschen Journalismus, gerade im Öffentlich-Rechtlichen, auch gewisse Positionalitäten gibt und geben muss. Unter anderem, dass man keine antizivilisatorischen Inhalte über den Äther sendet."
Zaboura: "Eigentlich müssern alle Formate (gemeint sind Talkshows etc.; Anm.d.Red.) vorab auf Demokratiefestigkeit abgeklopft werden."
Plasberg: "Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann denke ich, ich bin in Marl. Das ist so Grimme-Preis und der wird vom Volkshochschul-Verband verliehen. Und das klingt so ... nach Erziehung, was Sie gerade sagen."
Zaboura: "Nein gar nicht, das ist ein wissenschaftlicher Rahmen, der hat nichts mit Pädagogik zu tun."
Plasberg: "Sonderpädagogik."
Und so geht es munter weiter. Eine sehr erfrischende Diskussion, die aufzeigt, wie schnell kommunikationstheoretische Erklärungsversuche von der Praxis eingeholt werden. Zu dem hörenswerten Beitrag im Deutschlandfunk geht es hier.