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Aufgelesen: Digital? Unvorstellbar

Deutschland hinkt gewaltig hinterher, wie ein Dänemark-Besuch zeigt

Auf der kleinsten Dänemark-Fähre kann man sein Ticket online bezahlen. Foto: LGheute08.09.2022 - Die Tour, die meinen Freund und mich kürzlich an die Nordküste der dänischen Insel Seeland brachte, war eigentlich nichts Besonderes. Und doch war der Wechsel ins nördliche Nachbarland bemerkenswert: Die Landschaften jenseits der deutschen Grenze waren selbst entlang der vielbefahrenen Autobahnroute Rödby-Kopenhaben lieblich, ebenso die Menschen, die wir an unseren Snack-Zwischenstopps kennenlernen durften. Außergewöhnlich aber zumindest für uns Deutsche war die Überfahrt mit der kleinen Fähre von Kulhus nach Lynaes. Sie offenbarte sich als Menetekel deutschen Versagens.

Es sind nur etwa vier oder fünf Pkw, die auf der überschaubaren Fähre nach Lynaes Platz finden. Viel mehr Raum ist auch gar nicht erforderlich an diesem nördlichen Zipfel Seelands, wo höchstens mal an Wochenenden Wartezeiten am Fähranleger entstehen. Dort hatten wir uns an einem Samstagnachmittag wartend mit unserem Auto eingeordnet, umgeben von Badenden jeden Alters, denen die betriebsame Anwesenheit einer an- und ablegenden Fähre ebenso normal schien wie die Pölser-Bude am gegenüberliegenden Ufer.

Doch die vermeintlich dänische Unbedarftheit verflog schnell. Kaum hatten wir auf der Fähre mit unserem Auto Halt gemacht, tauchte neben dem heruntergelassenen Seitenfenster der Zahlmeister der Fähre auf, ein freundlicher älterer Herr, der zugleich auch für die ordnungsgemäße und sichere Überfahrt zuständig ist. Mit kurzem Handzeichen deutete er uns an, unsere EC-Karte auf seinen um den Hals gehängten Online-Scanner zu legen, knapp 22 Euro für Pkw und zwei Personen, erledigt innerhalb weniger Sekunden. Versuche, dies mittels Bardgeld zu lösen, lehnte er im Vorfeld ebenso entschieden wie verständnislos und höflich ab.

◼︎ Albtraum Travemünde

Dieses kleine Erlebnis ist nur deshalb bemerkenswert, als eine Fahrt mit der Autofähre von Travemünde auf das gegenüberliegende Priwall-Ufer gänzlich andere Botschaften aussendet. Während das dänische Pendant mit kleiner umgehängten Online-Ausstattung für die Abbuchung der Überfahrt-Gebühren auskommt, geht es auf deutschem Boden gänzlich anders zu: Bezahlen muss, wer mit dem Auto kommt, grundsätzlich vor der Fähre. Dort steht in einem Wartehäuschen ein Mann oder einer Frau, der oder die mit umgehängten Kleingeld-Apparaten ausgestattet sind, um per Daumendruck die jeweiligen Wechselgeld-Münzen aushändigen zu können. 

Wer aber beispielsweise eine Personen-Sechserkarte à 7,50 Euro kaufen möchte und kein Bargeld parat hat, muss mit dem Auto beiseite fahren, aussteigen und an einem Fahrkartenautomaten die gewünschte Karte erstehen, die ihm anschließend ausgedruckt ausgespuckt wird. Erst danach darf man sich in die Reihe der wartenden Autos wieder einordnen, wo dann per Zangenstempel durch die Kontrollperon eine Fahrt manuell abgestempelt wird.

Noch schöner ist die Nutzung einer Sechserkarte für Fußgänger. Diese müssen zur Entstempelung eine bereitstehende Stempelmaschine nutzen. Bevor diese aber benutzt werden kann, muss die Karte exakt so gefaltet werden, dass genau das richtige der sechs Felder abgestempelt wird. Wer falsch faltet, wartet vergebens auf den erlösenden Klick der Stempelmaschine und verpasst nicht selten die bereitstehende Fähre.

Soweit das Prozedere bei Sonnenschein. Heute erlebte ich eine Mitarbeiterin des Travemünder Fährbetriebs beim Abstempeln unter Dauerregen. Immerhin: Man hatte ihr einen den langen, neongelben Regenmantel gegönnt. Dass es eine Frau war, war unter der Kapuze allerdings nur schwer auszumachen. Deutschland 2022.

  

 

 

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