"Irgendwann müssen Schüler Leistung beweisen"

Kritik an der rot-grünen Schul- und Bildungspolitik nimmt zu

Lüneburg, 10.03.2013 - Die Pläne von SPD und Grünen, das Sitzenbleiben an Niedersachsens Schulen abzuschaffen und die weiterbildenden Schulen so aufzustellen, dass Gymnasien langfristig überflüssig werden, stoßen offenbar auf immer mehr Ablehnung. Am Wochenende gab es gleich aus drei verschiedenen Lagern Kritik an den bildungspolitischen Vorstellungen der neuen Landesregierung. Neben Politikern von CDU und FDP meldete sich auch der Leiter des Gymnasiums Oedeme, Dieter Stephan, zu Wort. Als Vorsitzender der Niedersächsischen Direktorenkonferenz haben seine Einlassungen besonderes Gewicht.

Einem Bericht der "Landeszeitung" zufolge sieht Dieter Stephan die Schulform Gymnasium in Gefahr. Er befürchtet, dass die Pläne von Rot-Grün, die Gesamtschule zur "ersetzenden Schulform" zu machen, die Gymnasien langfristig ablösen werden, insbesondere in Gebieten mit sinkenden Schülerzahlen.

Für "pädagogischen Unfug" hält Stephan auch, das Sitzenbleiben abzuschaffen. "Natürlich sollten wir in erster Linie die Förderung aller Schüler im Blick haben. Aber jedes Kind unabhängig von seinem persönlichen Leistungsstand in die nächst höhere Klasse zu versetzen, wäre doch verlogen", äußerte sich Stephan gegenüber der Zeitung. 

Insbesondere kritisiert Stephan die Tendenz, dass der Leistungsgedanke an den Schulen immer mehr in den Hintergrund trete. Dies hätte zur Folge, dass immer mehr Eltern ihre Schüler auf Privatschulen schickten und das öffentliche Schulsystem auf der Strecke bliebe. Stephan warnt in diesem Zusammenhang vor "amerikanischen Verhältnissen".

|| "Irgendwann müssen Schüler Leistung beweisen" ||

Zustimmung erfährt Dieter Stephan von Susanne von Stern, Sprecherin des Ortsverbands und der Stadtratsfraktion der CDU Lüneburg. Nachdem sie bereits vor einigen Tagen deutliche Worte zur rot-grünen Bildungspolitik fand (LGheute berichtete), sieht sie sich jetzt durch seine Kritik bestätigt: "Die 'amerikanischen Verhältnisse', die Herr Stephan erwähnt, sind zum Greifen nah. Das Abitur ist bereits kurz davor, zum erweiterten Realschulabschluss des High School-Abschlusses zu verkommen. Dann haben wir hier 'schwedische Verhältnisse': 80 Prozent haben Abitur, aber nur 40 Prozent bekommen eine Hochschulberechtigung."

Ebenso wie Stephan ist auch von Stern davon überzeugt, dass auf das Leistungsprinzip nicht verzichtet werden darf. "Irgendwie, irgendwo, irgendwann müssen Schüler Leistung beweisen. Und wenn dies nicht in der Schule passieren darf, dann passiert das eben später", so von Stern. Gerecht sei es eben nicht, Schüler durch die Schule "durchzuschleppen", um ihnen dann zu sagen: "Ätsch, Euer Abitur reicht nicht!"

Susanne von Stern wendet sich gegen die "Leistungsfeindlichkeit und Lebensängstlichkeit", die in der rot-grünen Schul- und Bildungspolitik zum Ausdruck komme und die keine Unterschiede aushalte. "Aber Bildung ist kein Mittel zur Förderung der Gleichheit. Dafür sind wir alle viel zu unterschiedlich." Die Realität und die Bedürfnisse unserer Gesellschaft müssten sich auch in unserem Schulsystem abbilden. "Und dazu gehören nun einmal die starken Gymnasien."

|| "Wir können die Schüler nicht im Kokon halten" ||

Für eine "einzige Katastrophe" halten auch die Jungen Liberalen die rot-grünen Ideen. "Das Sitzenbleiben ist ein wichtiger Bestandteil unseres Schulsystems. Es gewährleistet einen ungefähr gleichen Wissenstand am Ende eines Schuljahres und ermöglicht so den Schülern ein angenehmes Lernklima", ist der Vorsitzende der Jungen Liberalen Lüneburger Heide, Nicklas Ackermann, überzeugt.

Nicht einmal die Schüler selbst seien von dieser Idee überzeugt, sagt Ackermann. Er beruft sich auf eine aktuelle Umfrage, wonach 84 Prozent der befragten Schüler glauben, dass durch Abschaffen des Sitzenbleibens die Lernbereitschaft sinken werde.

Der Gedanke, übermäßigen Druck von den Schultern der Kinder zu nehmen, sei zwar wichtig, so Ackermann, allerdings sei die Methode falsch. Schulen müssten die Kinder auch auf den Berufsalltag vorbereiten. "Wer später in einer Ausbildung oder im Studium bestehen möchte, muss unter Druck arbeiten können. Wir können die Schüler nicht zehn Jahre lang im Kokon halten und dann auf den leistungsorientierten Arbeitsmarkt werfen, das ist den Schülern gegenüber nicht zu verantworten“, so Ackermann weiter.

Sollten die Pläne der neuen Landesregierung umgesetzt werden, würde die Quote derer, die das Jahresziel der Kurse nicht erreichen, stark steigen, ist Ackermann überzeugt. Doch auch die rot-grünen Vorstellungen, den leistungsschwachen Schülern statt einer Wiederholung des Schuljahres eine individuelle Förderung angedeihen zu lassen, hält Ackermann in Zeiten des Lehrermangels für eine utopische Idee. "Wir können also zusehen, wie sich das Bildungsniveau in Niedersachsen zunehmend verschlechtern wird."

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar