"Wir leben vom ehrenamtlichen Engagement"

Lebenshilfe Lüneburg-Harburg kämpft mit sinkenden Mitgliederzahlen und knappen Finanzmitteln

Lüneburg/Harburg, 09.03.2013 - Die Lebenshilfe Lüneburg-Harburg wäre ohne ehrenamtliches Engagement nicht vorstellbar. Seit Gründung des Vereins im Jahre 1964 ist er bei der Förderung und Begleitung behinderter Menschen auf privates Engagement angewiesen. Um den zahlreichen Ehrenamtlichen für deren unermüdlichen Einsatz zu danken, hatten Vereine und die Gesellschaft kürzlich rund 50 Ehrenamtliche zu einem ausgiebigen Frühstück in die Zentrale der Lebenshilfe am Vrestorfer Weg eingeladen.

"Die Arbeit für und mit Menschen mit geistiger Behinderung lebt vom ehrenamtlichen Engagement", sagt Frank Müller, stellvertretender Geschäftsführer der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg, zuständig für die Bereiche Wohnen und  Assistenzdienste.

Müller erinnert an die Aufbau- und Gründungsjahre Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Damals war die Lebenshilfe eine Organisation, die sehr stark von ehrenamtlich tätigen Angehörigen geprägt war. "Menschen mit Behinderungen standen noch nicht im Fokus der Gesellschaft. Die Eltern haben sich zu einem Selbsthilfeverein zusammengefunden - der Lebenshilfe. Damit war die Lebenshilfe so etwas wie die erste, bundesweite Bürgerinitiative."

|| Betroffenheit ist wieder wichtig ||

Seinerzeit habe es das Element der Betroffenheit gegeben, erinnert sich Frank Müller: "Betroffenheit zu empfinden, ist auch heute wieder wichtig geworden, gerade weil wir in einer Zeit leben, in der der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft immer mehr bedroht ist. Es ist enorm wichtig, dass wir uns für die Menschen interessieren, die mit uns leben und zu ihnen Kontakt aufnehmen", lautet Müllers Appell an die Gesellschaft und damit an sich selbst.

Mittlerweile prägen hauptamtliche Mitarbeiter die Arbeit. Die Lebenshilfe braucht aber weiterhin freiwillige Helfer, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen und Integration praktisch werden lassen. "Wir müssen in den nächsten Jahren vermehrt Ehrenamtliche für den Bereich Wohnen und die Begleitung von Senioren anwerben", sagt Müller und führt aus, dass vor allem die sozialen Bezüge der älter werdenden Menschen mit Behinderungen wegbrechen. "Da sie weder Eltern noch Großeltern sind, stehen sie am Ende des Lebens häufig allein da."

|| Mitgliederzahlen sinken ||

Derzeit unterstützen Mitglieder in den Vereinen Lüneburg und Harburg aktiv oder durch Mitgliedsbeiträge die Arbeit der Lebenshilfe. Doch die Zahlen in beiden Vereinen sind seit Jahren rückläufig, die Gründe hierfür vielfältig. So kündigen Eltern die Mitgliedschaft, sobald ihre Kinder erwachsen sind, und diese wiederum treten selten in die Vereine ein. Selbst junge Eltern, deren Kinder beispielsweise wegen einer Behinderung die Kindergärten der Lebenshilfe besuchen, scheuen eine Mitgliedschaft im Verein. Oft ist ihnen nicht ausreichend klar, wozu das gut sein soll.

Davon kann auch die 72-jährige Margret von Alm berichten, sie engagiert sich im Angehörigen- und Betreuerbeirat : "Es fehlen uns junge Mitglieder. Als meine Tochter 1968 geboren wurde, da war hier alles im Aufbau, und es herrschte eine mitreißende Solidarität. Ich kann nicht verstehen, warum heutzutage kaum jemand Mitglied im Elternverein der Lebenshilfe werden will. Der Vereinsbeitrag kostet mich im Jahr 35 Euro. Damit kann ich alles nutzen und wenn ich einen Rat benötige, gibt es immer einen Ansprechpartner. Doch wer weiß wie lange noch, denn unserer Mitglieder sterben uns weg."

Tatsächlich ist es schwierig, Menschen mit Behinderung für eine Mitgliedschaft zu werben, obwohl deren Jahresbeitrag in Höhe von zwölf Euro deutlich reduziert ausfällt. Als Begründung fällt oftmals das Argument: "Ich bin behindert und mir ist das zu teuer."

|| Arbeit in Zeiten knapper Gelder ||

Vieles, was heute selbstverständlich ist, war in den 60er-Jahren undenkbar und eine kleine Revolution. Selbstverständlich gibt es heute Werkstätten für Menschen mit Behinderung, integrative Kindergärten und Wohnbereiche. Die Vereine der Lebenshilfe setzten sich dafür ein, dass dies so bleibt und auch neue Angebote, orientiert am individuellen Bedarf entstehen können. In Zeiten knapper Gelder sind viele Dinge eben nicht selbstverständlich, wenn es nicht immer wieder Menschen gibt, die sich dafür einsetzen.

Geschäftsführer Frank Müller nennt einige Gründe für die schwierige Situation in den Vereinen: "Zum einen steht ein Generationswechsel an. Zum anderen sind im Gegensatz zur Gründungszeit der Lebenshilfe viele Dinge inzwischen rechtlich und finanziell abgesichert. Darüber hinaus sind die Themen, die uns beschäftigen mittlerweile derart hochkomplex, dass sie einzig von Spezialisten verstanden werden - nicht aber von 'normalen' Menschen."

|| "Unser Weihnachtsmarkt ist Kult" ||

Dennoch soll an dieser Stelle ein für Lüneburg herausragendes Beispiel für die ehrenamtliche Arbeit in Sachen Lebenshilfe genannt werden. "Der Weihnachtsmarkt im Glockenhaus ist unsere Kultveranstaltung", sagt Dagmar Pitters, 1. Vorsitzende der Lebenshilfe Lüneburg, "unsere Ehrenamtlichen freuen sich das ganze Jahr darauf, und wenn die Weihnachtstombola gelingt, dann ist das für uns alle ein ungeheures Erfolgserlebnis."