Wechselstimmung

27.02.2016 - War es die späte Rache für frühere Demütigungen und tiefgehende Verletzungen? Oder war es die Loslösung von einem Über-Ich, dessen die Lüneburger Grünen seit langem schon überdrüssig sind, weil sie das Gefühl haben, er sei nicht mehr einer von ihnen? Auf jeden Fall war es eins: die öffentliche Inszenierung der gewollten Erniedrigung von Andreas Meihsies. Des Mannes, der die Grünen über Jahre mit ungebremstem Einsatz und Ehrgeiz zur – wie Kritiker behaupten – willfährigen Mit-Regierungspartei unter der SPD gemacht hat. Dass die Grünen diesen Weg gewählt haben, zeigt, wie tief die Wunden sein müssen, die sich beide Lager in den vergangenen Jahren zugefügt haben.

Ob dieser Schritt den Grünen am Ende nicht doch mehr schadet als nützt, wird sich spätestens am 11. September zeigen, womöglich aber auch schon in wenigen Tagen. Meihsies wird die ihm zugefügte Niederlage nutzen, um sich neu und gegen seine Widersacher aufzustellen. Nicht nur, weil er seinen bisherigen Weggefährten zeigen will, dass er nicht auf sie angewiesen ist, sondern weil er selbst ohne Politik nicht kann. Wofür er dabei einsteht, scheint für viele eher nebensächlich, Hauptsache, er findet seinen Platz auf den Ratsbänken und Medienseiten der Stadt.

Mit Andreas Meihsies wird man also weiter rechnen müssen. Wie sich die Grünen künftig ohne ihr mediales und kommunikatives Zugpferd behaupten wollen, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob die Rückbesinnung auf grüne Inhalte und Werte reichen wird, um auch weiterhin bei der Stadtpolitik mitmischen zu können. Wohlfeile Forderungen nach einer fahrradfreundlichen Stadt sind etwas anderes als Entscheidungen zur Unterbringung von Flüchtlingen. Bei der Kommunalwahl im September wird Letzteres die Wähler vermutlich mehr bewegen.

Ein Blick auf das Leben draußen hätte den Grünen bei der Aufstellung ihrer Kandidatenlisten daher besser getan. Nicht Wohlfühlprobleme innerhalb der Partei interessieren die Wähler, sondern die Lösung von Problemen. Wer es gern kuschelig mag, sollte lieber einen Häkelverein gründen.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Grüner Wahlkampf ohne Meihsies"