"Die E-Mail war nicht dienlich"

LGheute im Gespräch mit Claudia Schmidt, OB-Kandidatin der Lüneburger Grünen

Lüneburg, 30.03.2014 - Eine Welle der Empörung hat Claudia Schmidt, Kandidatin der Grünen für das Amt der Oberbürgermeisterin der Hansestadt Lüneburg, ausgelöst. In einer parteiinternen E-Mail hat sie starke Vorwürfe gegen ihre Parteikollegen aus der Fraktion geäußert, nachdem sie bei der Wahl zum Fraktionsvorstand nicht erneut zum Zuge kam. Insbesondere ihre Äußerungen über das Verhalten des erkrankten Fraktionsmitglieds Ulrich Völker und über ihre Nachfolgerin im Amt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Jule Grunau, sorgten in der Öffentlichkeit für Unverständnis und Fassungslosigkeit.

Im Gespräch mit LGheute nimmt Claudia Schmidt erstmals Stellung zu ihren Äußerungen.

  

LGheute: Frau Schmidt, Ihre E-Mail hat eine Welle der Bestürzung hervorgerufen. War das Ihre Absicht?

Claudia Schmidt: Nein, natürlich nicht. Sie war aber auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern richtete sich an die Partei. Meine Absicht war, Klartext zu reden, denn was in der  Fraktion gelaufen ist, ist nicht in Ordnung. Allerdings gibt es immer wieder Personen, die das nach draußen tragen., leider.

 

LGheute: Sie meinen Ihre Abwahl aus dem Fraktionsvorstand?

Claudia Schmidt: Ja.

 

LGheute: Was konkret werfen Sie Ihren Fraktionskollegen denn vor?

Claudia Schmidt: Dass die Wahl zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hat. Die Fraktion hätte die Wahl auch ebenso gut nach dem 25. Mai, also nach der OB-Wahl durchführen können, aber das war anscheinend nicht gewollt, denn eine enstprechende Bitte meinerseits wurde abgelehnt.

 

LGheute: Die Wahl fand doch turnusmäßig statt, wieso haben Sie damit ein Problem?

Claudia Schmidt: Ich habe damit grundsätzlich überhaupt kein Problem. Dass die Wahl aber vor der OB-Wahl stattfand, obwohl die Fraktion sie auch danach hätte durchführen können, zielte erkennbar darauf ab, mir bereits zu diesem Zeitpunkt zu schaden. Denn man muss wissen, dass es in den letzten 20 Jahren überhaupt das erste Mal war, dass eine solche Wahl – also zur Mitte der Legislaturperiode – durchgeführt wurde. 

 

LGheute: Warum sind Sie überhaupt angetreten? Man hatte Ihnen doch zuvor bereits signalisiert, dass Sie nicht wieder gewählt würden und Ihnen nahegelegt, das mit den vielen anderen Aufgaben zu begründen, die Sie bei den Grünen haben.

Claudia Schmidt: Ich brauche keine goldene Brücke an der Stelle, ich bin da gerade.

 

LGheute: Das heißt, Sie haben die Auseinandersetzung gesucht?

Claudia Schmidt: Mir war klar, dass das nicht reibungslos verläuft. Denn ich bin mit deutlicher Mehrheit von den Mitgliedern des Ortsverbands der Lüneburger Grünen zur OB-Kandidatin gewählt worden, und zwar im Rahmen einer Kampfabstimmung gegen Andreas Meihsies.

 

LGheute: Aber Andreas Meihsies ist sowohl vom Ortsvorstand als auch von der Stadtratsfraktion als Kandidat für dieses Amt vorgeschlagen worden. Warum wollen Sie das nicht akzeptieren?

Claudia Schmidt: In meinem Umfeld gab es viele Stimmen, die gesagt haben ‚Wir wollen da ein anderes Gesicht sehen’. Meine Entscheidung, anzutreten, basierte daher auf dem Wunsch vieler Mitglieder für einen politischen Wechsel. Und letztlich bin ja auch ich und nicht Andreas Meihsies gewählt worden - und zwar von der Basis und nicht per Ordre de Mufti.

 

LGheute: Sie haben in Ihrer E-Mail Ulrich Völker als kranken, fremdbestimmten Mann dargestellt. Was hat Sie denn da getrieben?

Claudia Schmidt: Das war falsch von mir und dafür habe ich ihn um Entschuldigung gebeten. Wer mich kennt, weiß, dass ich niemanden wegen einer Erkrankung verletzen möchte. Diese Bemerkung tut mir unendlich leid.

  

LGheute: Hat er Ihre Entschuldigung angenommen?

Claudia Schmidt: Er persönlich hat sich dazu noch nicht geäußert.

 

LGheute: Auch über Jule Grunau haben Sie sich negativ geäußert. Haben Sie etwas gegen sie?

Claudia Schmidt: Ganz im Gegenteil. Ich schätze sie sehr und habe sie immer gefördert und werde es auch weiterhin tun. Ich war nur enttäuscht, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt für dieses Amt zur Verfügung gestellt hat.

 

LGheute: Immerhin haben Sie ihre Kompetenz in Frage gestellt.

Claudia Schmidt: Jule ist eine sehr begabte junge Politikerin. Ich hätte ihr nur gewünscht, dass sie zuvor mehr Erfahrung für dieses Amt gesammelt hätte.

 

LGheute: Und dann haben Sie auch noch von „alten, frustrierten Männern“ gesprochen. Was haben Sie gegen alte Männer?

Claudia Schmidt: Ich habe weder etwas gegen alte Männer noch gegen alte Frauen und bin weit von Altersdiskriminierung entfernt. Für mich ging es bei dieser Formulierung ausschließlich um eine Differenzierung zwischen denen, die für mich sind, und denen, die gegen mich sind.

 

LGheute: Aber was sollte dann diese Formulierung?

Claudia Schmidt: Ich weigere mich hinzunehmen, dass einige in der Partei über Jahrzehnte die gleiche Position einnehmen. Nehmen wir das Beispiel Manfred Nahrstedt: Er gehört ja auch nicht mehr zu den Jüngeren, tritt jetzt aber erst für seine zweite Amtszeit an, das ist völlig ok. Ulrich Mädge dagegen ist inzwischen Dauer-Regent, das finde ich nicht in Ordnung. Ob es bei den Grünen zwei oder vier Jahre sein müssen, darüber können wir diskutieren, aber nicht über zehn bis fünfzehn Jahre oder gar unbegrenzte Amtszeiten. Und damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich möchte das nicht an einer Altersgrenze festmachen.

 

LGheute: Und wie soll es jetzt weitergehen?

Claudia Schmidt: Für mich ist klar, dass ich als OB-Kandidatin antreten werde.

 

LGheute: Und in der Fraktion?

Claudia Schmidt: Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, uns wieder auf die Sachebene zu konzentrieren und wir wieder zusammenarbeiten können. Denn zurzeit kümmern wir uns fast nur noch um personenbezogene Probleme. Ich werde dazu Vorschläge machen, nachdem ich mich mit anderen darüber abgestimmt habe.

 

LGheute: Sehen Sie eine Chance, wie nach dem Konflikt zwischen Kreis-Grünen und Stadt-Grünen jetzt auch noch die Spaltung der Stadt-Grünen vermieden werden kann?

Claudia Schmidt: Ich sehe keinen Konflikt zwischen Kreis und Stadt, denn unsere Probleme haben nicht mit den unterschiedlichen Regionen zu tun, sondern mit den handelnden Personen.

 

LGheute: Haben Sie sich letzten Endes mit der Aktion nicht selbst am meisten geschadet?

Claudia Schmidt: Die E-Mail war nicht dienlich, und dass ich Ulrich Völker und Jule Grunau damit diskreditiert habe, tut mir leid. Inhaltlich aber stehe ich dazu und werde zeitnah mit meinen Parteifreunden darüber sprechen, wie es konstruktiv weitergehen kann.

 

LGheute: Vielen Dank für das Gespräch.