Die Flucht im Güterwaggon

Dokumentartheater gastiert am Lüneburger Museumsbahnhof

In den Dokumentartheaterstück "Die Flucht" spielt Iwo Bochat einen jungen russischen Soldat. Foto: KünstlerLüneburg, 30.07.2016 - Kann man die Flucht Hunderttausender aus dem Osten am Ende des Zweiten Weltkriegs als Theaterstück inszenieren? Man kann. Eindrucksvoll beweist es in diesen Tagen die niedersächsische Theatergruppe "Das Letzte Kleinod". Mit ihrer Inszenierung "Flucht - Ucieczka" gastiert sie zurzeit in Polen. Es ist ein Dokumentartheater, dargeboten in echten Güterwaggons, mit denen die Schauspieler nicht nur eine beeindruckende Original-Kulisse haben, mit denen sie auch zu ihren Spielorten reisen. Die Kooperation mit dem Teatr Gdynia Glówna wird von vielen Partnern gefördert, zu sehen ist das Stück an Bahnhöfen in Polen und Deutschland, vom 9. bis 11. August gastiert die Theatergruppe in Lüneburger Museumsbahnhof.

Es ist ein Stück, das ausschließlich auf den Aussagen von Zeitzeugen beruht. Sie wurden in Deutschland, Russland und Polen interviewt, das Stück stellt sie nun vor. Margarita Wiesner und Katja Tannert spielen Mädchen aus Ostpreußen, Wlada Vladislava ein Mädchen aus Russland und Matylda Magdalena Rozniakowska ein Mädchen aus Polen. Iwo Bochat ist ein junger russischer Soldat, Radoslaw Smuzny ein litauischer Junge, Szymon Jablonski (Akkordeon) und Marcin Koziol (Gitarre) sorgen für die musikalische Begleitung. Kabeltrommeln sind die einzigen Requisiten, elf Szenen führen vom Blaubeersammeln zur Flucht über das Haff und Fliegerangriffen, zum Ende des II. Weltkriegs. Geschichte in starken Bildern, beeindruckendes Theater, das unter die Haut geht: Nicht nur bei der Premiere in Gdynia gab es stehenden Applaus.

"Spektakl dokumentalny w wagonach towarowych" steht auf den Werbebannern: "Dokumentartheater in Güterwaggons". Überraschungen gehören bei diesem Projekt dazu, der ozeanblaue Zug des Letzten Kleinods spielt eine Hauptrolle. Die sieben Waggons transportieren die Akteure von Ort zu Ort, dienen als Unterkunft und Kantine, Materiallager und Theaterbüro. Vier angehängte Wagen der slowakischen Eisenbahn sind Kulisse und Bühne – mal müssen vor den Vorstellungen Steine beseitigt werden, mal kämpfen die Schauspieler mit staubigem Schotter. Was sie am nächsten Bahnhof erwartet, wissen sie nicht.

Aufführungen im schwarzen Saal sind für Kleinod-Gründer Jens-Erwin Siemssen kein Anreiz, er braucht Wind und Wetter, den direkten Kontakt zum Publikum. "Wir bringen Geschichten an die Orte zurück, an denen sie sich ereignet haben", erläutert er den Ansatz des Theaters, das im vergangenen Jahr mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet wurde. "Dabei geben wir Erinnerungen an die nächsten Generationen weiter", sagt Siemssen, der im Gespräch immer wieder den Bogen von "Flucht - Ucieczka" zur aktuellen Flüchtlingssituation schlägt. Der Theatermacher führt Regie und hat den Text geschrieben, als Autor sieht er sich dennoch nicht. "Eher als Arrangeur. Wir haben den Texten der Zeitzeugen nichts hinzugefügt."

Vom 9. bis 11. August finden jeweils zwei Aufführungen um 19 Uhr und 20.30 Uhr statt. Veranstaltungsort: Museumsbahnhof, An der Soltauer Bahn, 21337 Lüneburg. Kartenbestellung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., Tel. 04749-102564 oder an der Abendkasse.